Entscheidungsstichwort (Thema)
Verhältnis der Anlaufhemmungen nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 und nach § 170 Abs. 4 AO
Leitsatz (redaktionell)
- Zum Verhältnis der Anlaufhemmungen gem. § 170 Abs. 2 Nr. 1 und § 170 Abs. 4 AO.
- Beide Vorschriften verfolgen unterschiedliche Regelungszwecke. Während § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO verhindern soll, dass ein Stpfl. im Hinblick auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung Vorteile aus der Nichterfüllung der Erklärungspflichten zieht, soll § 170 Abs. 4 AO verhindern, dass innerhalb des Hauptveranlagungszeitraums die Steuer auf einen späteren Veranlagungszeitpunkt früher verjährt als die Steuer auf einen vorhergehenden.
Normenkette
AO § 170 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4
Streitjahr(e)
1994
Tatbestand
Streitig ist, ob der angefochtene Vermögensteuerbescheid innerhalb der Festsetzungsfrist ergangen ist.
Die Kläger sind Eheleute, die für das Streitjahr zusammen mit ihren beiden Kindern zur Vermögensteuer zu veranlagen waren. Da sie trotz entsprechender Aufforderung auf den Hauptveranlagungszeitpunkt 1. Januar 1993 keine Vermögensteuererklärung abgegeben hatten, schätzte der Beklagte (das Finanzamt – FA -) die Besteuerungsgrundlagen und setzte die Vermögensteuer durch Bescheid vom 23. Oktober 1995 auf…DM fest. Nachdem die Kläger im Rahmen des Einspruchsverfahrens am 18. Dezember 1995 die Vermögensteuererklärung nachgereicht hatten, setzte das FA die Vermögensteuer durch Bescheid vom 28. Februar 1996 auf 0,00 DM herab, weil sich ein negatives Gesamtvermögen ergab. Bei der Ermittlung des Gesamtvermögens setzte das FA die Anteile an der A-GmbH auf der Grundlage einer Mitteilung des Betriebsfinanzamts über die Feststellung des gemeinen Werts auf den 31. Dezember 1992 mit 3.789.750 DM an.
Am 26. März 1999 gingen bei dem FA Mitteilungen des Betriebsfinanzamts über die Feststellung des gemeinen Werts der Anteile auf den 31. Dezember 1992 und den 31. Dezember 1993 ein, aus denen sich folgende Wertansätze ergaben:
31. Dezember 1992 |
3.413.250 DM |
31. Dezember 1993 |
5.575.125 DM. |
Das FA hielt es hiernach für möglich, daß auf den 1. Januar 1994 eine Neuveranlagung zur Vermögensteuer durchzuführen sei, und forderte die Kläger deshalb mit Schreiben vom 14. Januar 2000 dazu auf, eine Vermögensteuererklärung auf diesen Zeitpunkt abzugeben. Da die Kläger dieser Aufforderung nicht Folge leisteten, schätzte das FA die Besteuerungsgrundlagen und setzte die Vermögensteuer auf den 1. Januar 1992 durch Bescheid vom 6. September auf 3.515,00 DM fest.
Der hiergegen am 24. September 2001 eingelegte Einspruch wurde von den Klägern nicht begründet und von dem FA durch Einspruchsbescheid vom 11. Januar 2002 als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der am 6. Februar 2002 erhobenen Klage machen die Kläger geltend, dass der angefochtene Bescheid erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist ergangen sei. Da die Vermögensteuererklärung auf den 1. Januar 1993 im Jahre 1995 abgegeben worden sei, habe die vierjährige Festsetzungsfrist auf den Hauptveranlagungszeitpunkt mit Ablauf dieses Jahres begonnen und mit Ablauf des Jahres 1999 geendet. Unter Berücksichtigung des § 171 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) sei die Festsetzungsfrist für die Vermögensteuer auf den 1. Januar 1994 daher mit Ablauf des Jahres 2000 abgelaufen. Die mit Schreiben vom 14. Januar 2000 an sie – die Kläger – ergangene Aufforderung zur Abgabe einer Vermögensteuererklärung auf den 1. Januar 1994 habe den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht mehr beeinflussen können.
Die Kläger beantragen,
den Vermögensteuerbescheid auf den 1. Januar 1994 vom 6. September 2001 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2002 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass der angefochtene Bescheid innerhalb der Festsetzungsfrist ergangen ist, und führt zur Begründung aus, dass durch die am 14. Februar 2000 erfolgte Aufforderung zur Abgabe einer Vermögensteuererklärung auf den 1. Januar 1994 der Beginn der Festsetzungsfrist gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO auf den 31. Dezember 1997 hinausgeschoben worden und diese daher erst mit Ablauf des Jahres 2001 abgelaufen sei. Nach der für den Streitfall maßgebenden Fassung des § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO sei die Anlaufhemmung wegen Nichtabgabe der Steuererklärung nicht mehr auf den Fall beschränkt, dass die Steuererklärung aufgrund gesetzlicher Vorschrift abzugeben sei, sondern greife auch dann ein, wenn sich die Erklärungspflicht aus einer entsprechenden Aufforderung der Finanzbehörde ergebe. Diese Aufforderung sei ergangen, bevor die gemäß § 170 Abs. 4 AO bis zum 31. Dezember 2000 verlängerte Festsetzungsfrist für die Vermögensteuer auf den 1. Januar 1994 abgelaufen gewesen sei.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
1. Der angefochtene Vermögensteuerbescheid auf den 1. Januar 1994 ist innerhalb der Festsetzungsfrist ergangen (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO).
a) Gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist für die Vermögensteuer vier Jahre. Gemäß § 170 Abs. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist grundsä...