Leitsatz
Die eine Anlaufhemmung verhindert, dass ein Steuerpflichtiger im Hinblick auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung Vorteile aus der Nichterfüllung seiner Erklärungspflichten zieht (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO). Die andere Anlaufhemmung verhindert hingegen, dass innerhalb eines Hauptveranlagungszeitraums die Steuer auf einen späteren Veranlagungszeitpunkt früher als die Steuer auf einen vorherigen verjährt (§ 170 Abs. 4 AO). Beide Vorschriften verfolgen unterschiedliche Regelungszwecke, so dass letztere keine abschließende Sonderregelung ist und die Anwendung der ersteren nicht ausschließt.
Sachverhalt
Trotz Aufforderung gaben die Kläger auf den Hauptveranlagungszeitpunkt 1.1.1993 keine Vermögensteuererklärung ab. Das Finanzamt schätzte die Besteuerungsgrundlagen und setzte die Vermögensteuer in 1995 fest. Im Rahmen eines Einspruchsverfahrens reichten die Kläger eine Vermögensteuererklärung nach. Anfang 1999 ging beim Finanzamt eine Mitteilung über die Feststellung des gemeinen Werts der Anteile an einer GmbH auf den 31.12.1993 ein. Die Anteile an der GmbH gehörten zum Gesamtvermögen der Kläger. Das Finanzamt forderte die Kläger im Januar 2000 auf, eine Vermögensteuererklärung auf den 1.1.1994 abzugeben, weil eine Neuveranlagung durchzuführen sei (§ 16 VStG). Die Besteuerungsgrundlagen wurden geschätzt, weil die Kläger der Aufforderung nicht entsprachen, und die Vermögensteuer entsprechend in 2001 festgesetzt. Der Einspruch gegen diesen Steuerbescheid wurde zurückgewiesen.
Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg. Sie war unbegründet, weil der Bescheid zur Vermögensteuer auf den 1.1.1994 in 2001 innerhalb der Festsetzungsfrist ergangen sei (§ 169 Abs. 1 AO). Die vierjährige Festsetzungsfrist für die Vermögensteuer auf den 1.1.1994 habe mangels Abgabe einer Steuererklärung mit Ablauf des Jahres 1997 begonnen (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO). Geendet sei sie mit Ablauf des Jahres 2001. Die Aufforderung zur Abgabe einer Erklärung zur Vermögensteuer auf den 1.1.1994 sei noch rechtzeitig vor Ablauf der regulären Festsetzungsfrist erfolgt. Da die Erklärung zur Vermögensteuer auf den Hauptveranlagungszeitpunkt 1.1.1993 erst 1995 eingereicht worden sei, habe die Festsetzungsfrist auf diesen Hauptveranlagungszeitpunkt mit Ablauf 1995 zu laufen begonnen (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO). Um diese zwei Jahre sei der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Jahre des Hauptveranlagungszeitraums hinausgeschoben (§ 170 Abs. 4 AO). Die Festsetzungsfrist für die Vermögensteuer auf den 1.1.1994 habe daher erst mit Ablauf des 31.12.1996 begonnen und sei nicht vor Ablauf des Jahres 2000 geendet. Die Aufforderung zur Abgabe einer Erklärung konnte den Anlauf der Festsetzungsfrist nach Ansicht des Gerichts somit hemmen.
Hinweis
Das Niedersächsische FG hat die Revision zugelassen. Die Frage in welchem Verhältnis die Anlaufhemmungen zueinander stehen, habe grundsätzliche Bedeutung.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 19.05.2003, 1 K 33/02