vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [II R 45/13)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzug von Steuerverbindlichkeiten als Nachlassverbindlichkeiten
Leitsatz (redaktionell)
- Die vom Erblasser herrührenden Schulden sind vom Erwerb als Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen.
- Dazu gehören auch Steuerschulden des Erblassers, die auf den Erben übergehen.
- Nach dem Stichtagsprinzip kommt es auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Todes des Erblassers an.
- Materiell-rechtlich geschuldete Steuerverbindlichkeiten können auch dann als Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden, wenn sie vom FA nicht festgesetzt werden.
Normenkette
ErbStG 1997 § 10 Nr. 5 Nr. 1, § 9; AO § 45; BGB § 1922
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Frage, in welcher Höhe Nachlassverbindlichkeiten zu berücksichtigen sind.
Die Klägerin ist Tochter der am 18. April 2004 verstorbenen Frau Ernestine B. Diese verfügte über ein erhebliches Kapitalvermögen - nach der Erbschaftsteuererklärung rund 2,8 Mio € -, das sie teilweise auf Konten in Luxemburg angelegt hatte. Kapitalerträge aus dem Vermögen auf Konten in Luxemburg gab Ernestine B. in ihren Einkommensteuererklärungen gegenüber dem Wohnsitzfinanzamt B nicht an. Das Finanzamt B setzte dementsprechend in den Einkommensteuerbescheiden bis einschließlich 2002 (die Einkommensteuerbescheide 2003 und 2004 ergingen erst nach dem Tode von Frau B) die Einkommensteuer zu niedrig fest.
Zum Zeitpunkt des Todes von Frau B lebte als naher Angehöriger noch ihr 1915 geborener und zwischenzeitlich ebenfalls verstorbener Bruder Ottomar F sowie ihr Lebensgefährte Kurt M. Angeblich hatte Frau B den Stiefenkel Rainer D, den Kläger in dem parallelen Klageverfahren 3 K 365/12 durch Testament zum Erben eingesetzt. Das Testament war bei ihrem Tode nicht auffindbar. Daraufhin beanspruchte Ottomar F als gesetzlicher Erbe die gesamte Erbschaft.
Das Amtsgericht Bu erteilte unter dem Datum des 26. August 2004 einen Erbschein, wonach Ottomar F Alleinerbe nach Ernestine B ist. Rainer D berief sich demgegenüber in einem sich anschließenden Erbrechtsstreit auf das seiner Auffassung nach vorliegende Testament. Dieses Klageverfahren wurde durch gerichtlichen Vergleich vom 14. Dezember 2005 beendet. Danach sind Rainer D und Ottomar F Miterben zu je 1/2. Ottomar F stellt darüber hinaus vermächtnisweise der Klägerin aus seinem Erbanteil einen Betrag von 20% des Nachlasswertes zur Verfügung. Entsprechend diesem Vergleich erteilte das Amtsgericht Bu unter dem Datum des 21. Dezember 2005 einen neuen gemeinschaftlichen Erbschein für Rainer D und Ottomar F.
Der Beklagte erließ unter dem 26. Juni 2006 gegenüber Ottomar F erstmals einen Erbschaftsteuerbescheid, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand und noch nicht das umfangreiche Kapitalvermögen der Ernestine B berücksichtigte. Kurz danach verstarb Ottomar F am 8. August 2006.
Ende 2004 hatte Rainer D eine Strafanzeige gegen Ottomar F und den ehemaligen Lebensgefährten Kurt M gestellt und darin das Vermögen der Frau B offenbart. Am 6. Januar 2005 fand bei der Polizeiinspektion H eine Zeugenvernehmung von Rainer D statt. Am 23. Januar 2006 gab Rainer D gegenüber dem Finanzamt B eine strafbefreiende Erklärung nach dem StraBEG ab, in der er die nicht versteuerten Zinseinkünfte für die Jahre 1993-2002 mit 346.469,- € und die darauf entfallenden Steuern mit 121.266,- € angab, und zwar jeweils ausdrücklich in der Währungseinheit Euro.
Das Finanzamt B setzte die Steuern zunächst entsprechend der Erklärung fest, hob diese aber später wieder auf, weil es davon ausging, dass die Tat zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung bereits entdeckt gewesen und die Strafbefreiungserklärung nicht mehr wirksam sei. Es kam darüber zu einem Rechtsstreit, der unter dem Aktenzeichen 9 K 346/06 vor dem Niedersächsischen Finanzgericht anhängig war.
Im Verlaufe dieses Verfahrens schlossen Rainer D, die mittelbar an dem Nachlass der Ernestine B beteiligten Erben nach dem mittlerweile verstorbenen Ottomar F, d.h. auch die Klägerin, sowie das Finanzamt B am 18. Oktober 2007 eine tatsächliche Verständigung. Darin heißt es u.a.: „Die Schwierigkeiten in der Sachverhaltsermittlung liegen darin, dass bei der Erblasserin die bisher nicht erklärten Kapitalerträge für die Veranlagungszeiträume 1995-2002 aufgrund fehlender bzw. nicht mehr beschaffbarer Unterlagen sowie des Zeitablaufs nicht mehr im Einzelnen genau festgestellt werden können. Entsprechendes gilt für die noch zu berücksichtigenden Werbungskosten.” Vereinbart wurde, dass die anzusetzenden Kapitalerträge in Anlehnung an die in der strafbefreienden Erklärung genannten Zahlenwerte von 60 % auf 100 % hochgerechnet und unter Berücksichtigung pauschaler Werbungskosten in Höhe von 10 % der nachgemeldeten Einnahmen angesetzt werden sollten. Die Ermittlung der Beträge ergebe sich aus der einen Bestandteil der tatsäch...