vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [II R 7/20)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuerliche Verwirklichung des Erwerbsvorgangs im Flurbereinigungsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
Die Höhe des Grunderwerbsteuersatzes bei einem grunderwerbsteuerlichen Erwerb im Flurbereinigungsverfahren knüpft an die Verwirklichung des Erwerbsvorgangs an. Die Verwirklichung des Erwerbvorgangs i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 GrEStG tritt mit der Ausführungsanordnung ein.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Nrn. 1, 3 S. 1; FlurbG § 1; GrEStG § 11 Abs. 1; FlurbG § 54 Abs. 2, §§ 61, 63 Abs. 1; AO 1977 § 38
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob bei der Grunderwerbsteuerfestsetzung im Zusammenhang mit einem Flurbereinigungsverfahren der richtige Steuersatz angewendet wurde.
Der Kläger war Beteiligter eines Flurbereinigungsverfahrens in A. Das Amt für Agrarstruktur B informierte den Kläger am 15. Januar 2003 im Rahmen eines Informationsgesprächs über ein geplantes Flurbereinigungsverfahren in A. Der Kläger äußerte hierbei den Wunsch, an dem Flurbereinigungsverfahren teilzunehmen und benannte verschiedene Flächen für die Abfindung. Ihm wurden im Rahmen der vorläufigen Besitzeinweisung Flurstücke zugewiesen.
Unter dem 17. Januar 2008 hörte das Amt für Landesentwicklung B den Kläger gemäß § 57 des Flurbereinigungsgesetzes (FlurbG) persönlich an. Im Rahmen der Anhörung konkretisierte er seinen Abfindungswunsch näher.
Am 15. Dezember 2008, 25. März 2009 und 7. November 2012 nahm das Amt für Landesentwicklung B Verhandlungsniederschriften gemäß §§ 129 ff. FlurbG über Änderungen der Besitzeinweisung auf. Der Kläger erhielt hierbei verschiedene Teilflurstücke, die wertmäßig der bisherigen Besitzzuweisung entsprachen.
In einer weiteren Verhandlungsniederschrift vom 22. April 2009 über den Verkauf von Masseland gemäß § 54 Abs. 2 FlurbG nahm das Amt für Landesentwicklung B auf, dass der Kläger im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens eine Mehrabfindung von 167,14 Wertverhältnis (WV) erhalten hatte. Kapitalisiert ergab dies einen Betrag in Höhe von 33.428 €. Diese Summe errechnete sich aus einem Wert von 200 € pro WV und war am 1. November 2009 zu bezahlen. Die Besitzeinweisung bzw. deren teilweise Änderung erfolgte im November 2008. Die Eigentumsumschreibung sollte nach der Ausführungsanordnung im Flurneuordnungsverfahren A erfolgen.
Die vorzeitige Ausführung des Flurbereinigungsplans wurde am 29. Juli 2016 mit Wirkung zum 29. August 2016 angeordnet. Das Amt für regionale Landesentwicklung C teilte dies dem Beklagten mit Schreiben vom 30. August 2016 mit und bat um Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung. Auf das Schreiben sowie dem Auszug aus dem Flurbereinigungsplan, in dem die Flurstücke näher bezeichnet werden, wird verwiesen.
Der Beklagte setzte daraufhin die Grunderwerbsteuer mit Bescheid vom 23. Dezember 2016 in Höhe von 1.671 € (5 % auf die Bemessungsgrundlage von 33.428 €) fest.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinem Einspruch vom 12. Januar 2017. Der obligatorische Vertrag zwischen dem Amt für regionale Landschaftsentwicklung und dem Kläger sei bereits im Jahr 2009 geschlossen worden. Er habe keinen Einfluss auf die Eintragung im Grundbuch gehabt. Im Jahr 2009 habe noch ein Steuersatz in Höhe von 3,5 % gegolten, der vorliegend anzuwenden sei. Die Verhandlungsniederschrift ersetze den notariellen Vertrag. Besitz, Nutzen und Lasten seien nach Zahlung des Kaufpreises übergegangen. Es sei somit ein Rechtsgeschäft abgeschlossen worden, das den Anspruch auf Übereignung begründe. Die Festsetzung der Grunderwerbsteuer sei daher auf diesen Zeitpunkt vorzunehmen.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsbescheid vom 4. April 2017 als unbegründet zurück.
Mit dem Eintritt des neuen Rechtszustands am 29. August 2016 gemäß der vorzeitigen Ausführungsanordnung des Amts für regionale Landesentwicklung C sei ein steuerpflichtiger Erwerb nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) verwirklicht worden.
Nach dieser Bestimmung unterliege der Grunderwerbsteuer der Übergang des Eigentums, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen sei und es auch keiner Auflassung bedürfe. Diese Voraussetzungen seien für die genannten Grundstücksflächen gegeben.
Mit dem Eintritt des neuen Rechtszustandes am 29. August 2016 sei der Kläger Eigentümer der Grundstücksflächen gemäß § 61 Satz 2 FlurbG geworden. Das Grundbuch sei gemäß § 79 Abs. 1 FlurbG nur entsprechend zu berichtigen gewesen. Einer Auflassung habe es nicht mehr bedurft.
Es sei auch kein Rechtsgeschäft vorausgegangen, das einen Anspruch des Klägers auf Übereignung der Grundstücke begründet oder ihm bereits eine Verwertungsbefugnis an den Grundstücksflächen nach § 1 Abs. 2 GrEStG verschafft hätte. Ein solcher Übereignungsanspruch bzw. eine Verwertungsbefugnis des Klägers ergebe sich insbesondere nicht aus der Besitzeinweisung ...