Entscheidungsstichwort (Thema)
Gestattung der Ist-Versteuerung nach § 20 UStG
Leitsatz (redaktionell)
- Wiedereinsetzung kommt nicht in Betracht, wenn die Gründe, die zur Versäumung der Klagefrist geführt haben und die die Wiedereinsetzung begründen sollen, dem Gericht nicht innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist von zwei Wochen mitgeteilt worden sind.
- Die USt ist grundsätzlich nach vereinbarten Entgelten zu berechnen.
- Zur Gestattung der Ist-Versteuerung nach § 20 UStG.
- Der Antrag auf die Gestattung der Ist-Versteuerung kann ebenso wie die Genehmigung durch schlüssiges Handeln der Finanzbehörde erfolgen.
- Die Genehmigung der Finanzbehörde setzt voraus, dass das FA eine nach außen hin erkennbare Entscheidung trifft. Der bloße Umstand, dass das FA einen Antrag auf Gestattung der Ist-Versteuerung nicht abgelehnt hat, stellt noch keine Genehmigung dar.
Normenkette
UStG § 16 Abs. 1, § 20 Abs. 1; FGO § 56
Streitjahr(e)
2003
Tatbestand
Streitig ist die Frage, ob der Kläger seine Umsätze nach vereinbarten oder nach vereinnahmten Entgelten zu versteuern hat.
Der Kläger ist selbständiger Ingenieur. Mit Kaufvertrag vom 15. Januar 2003 hat der Kläger Kundenkontakte mit Wirkung zum 1. Januar 2003 zum Preis von 270.000,- € zuzüglich Umsatzsteuer an die I GmbH, an der er zu 50 v.H. beteiligt ist, veräußert. Der Kaufpreis ist nach Ziffer 6 des Vertrages in 9 Teilbeträgen zu entrichten, und zwar grundsätzlich, beginnend mit dem 1.1.2003, zum jeweils 1. Januar des Jahres. Die erste Kaufpreisrate wird verzinslich bis zum 30. November 2003 gestundet.
Einen ausdrücklichen Antrag auf Versteuerung seiner Umsätze nach vereinnahmten Entgelten hat der Kläger in der Vergangenheit nicht gestellt.
Der Kläger erfasste die zum 30. November 2003 sowie die zum 1. Januar 2004 gezahlten ersten beiden Raten von jeweils 30.000,- € in den Umsatzsteuervoranmeldungen für das 4. Quartal 2003 und das 1. Quartal 2004. Der Beklagte verarbeite die Voranmeldungen zunächst ohne Abweichung.
In der Zeit vom 19. März 2004 bis zum 18. Oktober 2004 führte der Beklagte beim Kläger eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch. Der Prüfer stellte sich auf den Standpunkt, dass das gesamte Entgelt aus dem Kaufvertrag vom 15. Januar 2004 im 4. Quartal 2003 zu versteuern sei, weil der Kläger seine Umsätze nach vereinbarten Entgelten versteuere. Entsprechend änderte der Beklagte die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide für das 4. Quartal 2003 und das 1. Quartal 2004 mit Datum vom 8. (4/2003) und 9. (1/2004) Dezember 2004.
Dagegen wandte sich der Kläger, vertreten durch den Prozessbevollmächtigten, zunächst mit dem Rechtsbehelf des Einspruchs, mit dem er geltend machte, dass der Beklagte in der Vergangenheit konkludent die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten genehmigt habe. Während des Einspruchsverfahrens reichte der Kläger am 28. Februar 2005 seine Umsatzsteuererklärung für 2003 ein. Darin erklärte er wiederum nur die erste nach dem Vertrag vom 15. Januar 2003 gezahlte Rate als Umsatz. Der Beklagte ist dem nicht gefolgt, sondern setzte in dem Umsatzsteuerbescheid 2003 vom 30. März 2005 einen Umsatz von 270.000,- € an. Den Bescheid gab der Beklagte dem Kläger persönlich bekannt. Im weiteren Verlauf hat der Kläger mit Schreiben vom 6. Juni 2005 hilfsweise den Antrag gestellt, die Ist-Versteuerung zu genehmigen. Mit Schreiben vom 16. Juni 2005 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er nicht verpflichtet sei, aufgrund dieses Antrags rückwirkend eine Genehmigung bereits für die Jahre 2003 und 2004 zu erteilen, weil die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten der Vereinfachung der Besteuerung dienen solle, nicht aber dazu führen dürfe, bei verbundenen Unternehmen den Vorsteuerabzug ohne korrespondierende Umsatzsteuerschuld zuzulassen. Hinsichtlich der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten ab 2005 erhalte der Kläger noch gesonderte Nachricht. Mit Bescheid vom 14. Juni 2005 gestattete der Beklagte dem Kläger, die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten zu berechnen. Der Bescheid enthält den Zusatz, dass ausdrücklich darauf hingewiesen werde, dass die Genehmigung erst ab dem Jahr 2005 gelte. Die Schreiben vom 14. und 16. Juni 2005 sind nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen.
Der Beklagte hat den Einspruch sodann mit Einspruchsbescheid vom 12. Juli 2005 als unbegründet zurückgewiesen. Dieser Einspruchsbescheid hat ausweislich seines Tenors den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid 4. Quartal 2003 sowie den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid 1. Quartal 2004 zum Gegenstand.
Der Kläger wendete sich dagegen mit der Klage, die unter dem Aktenzeichen 16 K 363/05 beim Niedersächsischen Finanzgericht anhängig war. Während dieses Klageverfahrens reichte der Kläger seine Umsatzsteuerjahreserklärung für 2004 ein, in der er die Umsätze weiterhin entsprechend seiner Rechtsauffassung, dass er nach vereinnahmten Entgelten versteuere, ermittelte. Die Veranlagungsdienststelle des Beklagten stimmte dieser Erklärung – offenbar in Unkenntnis des bereits anhängigen Klageverfahrens – zu und stel...