rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung von hinterzogenen Zinseinkünften aus ungeklärtem Vermögenszuwachs unter Beachtung des Grundsatzes "in dubio pro reo"; Hinterziehungszinsen; Schätzung; Unsicherheitszuschlag; Feststellungslast; in dubio pro reo
Leitsatz (redaktionell)
- Hinterzogene Zinseinkünfte aus ungeklärtem Vermögenszuwachs für Veranlagungsjahre, die nur im Hinblick auf die 10jährige Festsetzungsfrist nach §§ 169 Abs. 2, 370 AO abänderbar sind, dürfen weder unter Wahrscheinlichkeitserwägungen noch unter Einbeziehung eines Unsicherheitszuschlags geschätzt werden.
- Auch im finanzgerichtlichen Verfahren muss unter Beachtung des strafverfahrens- rechtlichen Grundsatzes “in dubio pro reo” geschätzt werden.
- Lässt sich die genaue Höhe der hinterzogenen Steuern nicht ermitteln, trägt das FA die Feststellungslast für alle steueranspruchsbegründenden Tatsachen.
Normenkette
EStG § 20; AO § 169 Abs. 2 S. 2 2. HS, § 270
Streitjahr(e)
1985, 1986, 1987, 1988, 1989, 1990, 1991, 1992, 1993
Tatbestand
Streitig ist, ob die Einkommensteuerbescheide 1985 bis 1989 wegen nicht erklärter Kapitaleinkünfte geändert werden durften, bei den Einkünften aus Kapitaleinkünften für die Jahre 1985 bis 1993 Hinzuschätzungen vorgenommen werden durften und in den Jahren 1989 bis 1993 Zinsen festgesetzt werden durften.
Der – im Jahre 1988 verstorbene - Ehemann der Klägerin unterhielt im Jahre 1985 einWertpapierdepot bei der A-Bank, das er im Jahre 1986 auf die Klägerin übertrug. In den Streitjahren 1985 bis 1993 enthielt das Depot Aktien (u.a. BASF, Bayer, Siemens, Veba) und festverzinsliche Schuldverschreibungen auf US$ und Can$ (AT&T, Gov. of Canada und Bergen Bank A/S). Die Klägerin selbst stellte jeweils jährlich handschriftlich die Einkünfte aus diesem Depot und aus Spar- und Bausparguthaben tabellarisch zusammen und gab diese Zusammenstellung als Anlage ihren Einkommensteuererklärungen bei. Das FA veranlagte zunächst erklärungsgemäß.
Die Einkünfte aus einem weiteren bei derB-Bank von der Klägerin in der Schweiz seit Mitte 1986 unterhaltenen Wertpapierdepot waren in den Einkommensteuererklärungen nicht enthalten. Es handelte sich um ein Depot mit verschiedenen Anleihen (u.a. UBS Money Market Invest-Ecu [Lux]; UBS Bonds-Invest; 5% - American Express Bank Anleihe; 5% Carlsberg-Tuborg Anleihe).
Ebenso enthielten die Steuererklärungen für die Streitjahre keine Einkünfte aus Sparbüchern bei derC-Bank. Die Klägerin verfügte dort über mehrere Sparbücher (Konto-Nr.: ... 620 (seit Okt. 1988) und Konto-Nr.: ... 120 (mind. seit Jan. 1985)). Im März 1989 änderte die C-Bank auf Veranlassung der Klägerin bei dem letztgenannten den Kontoinhaber in “Pfarrer X”. Das Konto verfügte in den Streitjahren über Bestände von bis zu 220.000 DM (1990). Von diesem Konto übertrug die Klägerin im März 1990 genau 100.000 DM auf ein weiteres Sparkonto bei der C-Bank (Konto-Nr.: ... 320), das bis 1994 ebenfalls auf den Namen “X” geführt wurde. Bei beiden Konten war die Klägerin als “verfügungsberechtigte Gläubigerin” eingetragen.
Daneben tätigte die Klägerin – nach Angaben Ihres Prozessbevollmächtigten – Tafelgeschäfte, verbrachte Gelder nachLiechtenstein und unterhielt in Liechtenstein mindestens ein Depot unbekannten Umfangs auch auf den Namen des Pfarrers X. Die Höhe der Einkünfte aus diesen Quellen ist unbekannt geblieben.
Am 14. Juli 1994 – mithin nach den Streitjahren – lieferte die Klägerin in das bestehende Depot bei der B-Bank folgende Wertpapiere ein:
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|
Wert ca. |
850 |
Int. Renten-Fonds K |
51.000 DM |
300 |
Grundbesitz-Invest |
25.000 DM |
2600 |
DIT-Lux Laufzeitfonds |
297.000 DM |
Im August 1995 ging beim Finanzamt für Fahndung und Strafsachen eine anonyme Anzeige ein, nach der die Klägerin über Konten in der Schweiz und Liechtenstein verfüge und im Inland über Konten, die auf den Namen Dritter lauteten, verfüge. Im Februar 1996 wurde daraufhin ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet und der Klägerin im Rahmen der angeordneten Hausdurchsuchung eröffnet. Das Strafverfahren wurde schließlich im November 1997 gemäß § 153a StPO gegen Zahlung eines Geldbetrages i.H.v. ... DM eingestellt.
Das FA änderte die Einkommensteuerbescheide 1985 bis 1993 nach den Feststellungen der Fahndungsprüfung und berücksichtigte dabei u.a. Zinseinkünfte aus einem angenommenen ungeklärten Vermögenszuwachs wegen der im Juli 1994 auf das Schweizer Wertpapierdepot eingelieferten Papiere. Dabei ging das FA von einem Kapitalwert zum 01.01. 1994 i.H.v. 320.000 DM aus. Daraus rechnete das FA nach Zinssätzen für inländische Inhaberschuldverschreibungen folgende Zinserträge:
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Endbestand |
Zinssatz |
Zinsen |
Anfangsbestand |
1993 |
320.000,00 |
6,38% |
19.191,58 |
300.808,42 |
1992 |
300.808,42 |
8,13% |
22.616,97 |
278.191,46 |
1991 |
278.191,46 |
8,75% |
22.383,22 |
255.808,24 |
1990 |
255.808,24 |
8,90% |
20.906,27 |
234.901,96 |
1989 |
234.901,96 |
7,13% |
15.633,82 |
219.268,14 |
1988 |
219.268,14 |
6,00% |
12.411,40 |
206.856,74 |
1987 |
206.856,74 |
5,83% |
11.395,40 |
195.461,34 |
1986 |
195.461,34 |
6,00% |
11.063,85 |
184.397,49 |
1985 |
184.397,49 |
6,95% |
11.982,82 |
172.... |