Entscheidungsstichwort (Thema)
Essenslieferungen für Arbeitnehmer zum Verzehr in der Kantine unterliegen der vollen Umsatzsteuer
Leitsatz (redaktionell)
Beschafft ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern durch einen Menü-Bringdienst Essen, das in der Kantine des Arbeitgebers verzehrt wird und bezahlt der Arbeitgeber den Essenspreis direkt an den Lieferanten, so ist die Lieferung nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1993 begünstigt. Vielmehr ist eine Lieferung zum „Verzehr an Ort und Stelle” gegeben, die dem Regelsteuersatz unterliegt.
Normenkette
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 1
Streitjahr(e)
1995, 1996, 1997, 1998
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die umsatzsteuerliche Behandlung der Abgabe von Mahlzeiten an Arbeitnehmer.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen der Herstellung und des Vertriebs von Pralinen -, Marzipan- und Schokoladenspezialitäten. In den Streitjahren wurde das Unternehmen von Herrn X in der Rechtsform eines Einzelunternehmens betrieben. Zwischenzeitlich wird es als offene Handelsgesellschaft – OHG – geführt. Produktion und Verwaltung befinden sich in zwei getrennten Werken in A, im Z-Weg und in der Y-Straße. Das Unternehmen beschäftigte in den Streitjahren rund 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die hauptsächlich im Produktionsprozess eingesetzt waren. Es wurde in zwei Schichten produziert (6.30 Uhr bis 23.00 Uhr mit Schichtwechsel um 16.00 Uhr). In beiden Betriebsteilen befanden sich Aufenthaltsräume, die mit einfachen Tischen und Holz- bzw. Plastikstühlen ausgestattet waren. Außerdem befanden sich in diesen Räumen ein Geschirrspüler, eine Spüle, ein Kühlschrank und mehrere Kaffeemaschinen. Neben Bestecken und Trinkgefäßen wurde keine weitere Küchenausstattung bereit gestellt. Die Räume standen den Beschäftigten vor und nach Schichtbeginn sowie in den Pausen zur Verfügung. Ein Menü-Bringdienst – die Firma G – lieferte in den Streitjahren täglich sog. Folienmenüs für ca. 25 bis 30 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Die Lieferung erfolgte in Warmhalteboxen, die von der Firma G in den Aufenthaltsräumen in der Bunsenstraße und im Bültenweg aufgestellt werden. Die Belegschaftsmitglieder holen sich ihre Menüs aus der Warmhaltebox. Nach dem Verzehr entsorgen sie die Menüschale selbst in einen Abfalldeponiebehälter, der im Pausenraum steht. Die Fa. G rechnete mit der Klägerin wöchentlich die Essenlieferungen ab.
Daneben erfolgen Getränkeverkäufe durch den Arbeitgeber. Die umsatzsteuerliche Behandlung der Getränke ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.
Im Anschluss an eine Außenprüfung in der Zeit vom 22.05.2000 bis zum 02.08.2000 (mit Unterbrechungen) sah der Beklagte (das Finanzamt – FA –) in der Essenlieferung an die Arbeitnehmer umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Lieferungen der Klägerin an die Arbeitnehmer (sog. Reihengeschäft). Diese Lieferung wurde dem Regelsteuersatz unterworfen. Einen ermäßigten Steuersatz gewährte das FA nicht. Es behandelte die Essenausgabe als „Verzehr an Ort und Stelle”. Der Sachbezugswert der Folienmenüs von 5,40 DM wurde nach Kürzung um einen Arbeitgeber-Zuschuss von 1,50 DM pro Mahlzeit mit 3,90 DM vom Bruttoarbeitslohn des jeweiligen Arbeitnehmers einbehalten. Das FA unterwarf danach die Lieferungen an die Arbeitnehmer mit 15% bzw. 16% (ab 01.04.1998) der Umsatzsteuer. Der Vorsteuerabzug aus dem Wareneinkauf erfolgte mit 7%. Daraus ergab sich für die Streitjahre folgende Zahllast:
1995 |
2.997,00 DM |
1996 |
2.747,00 DM |
1997 |
2.248,00 DM |
1998 |
3.243,00 DM. |
Auf die konkrete Berechnung im Bericht über die Außenprüfung – Seite 33 – wird Bezug genommen.
Das FA erließ im Anschluss an die Außenprüfung entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre.
Hiergegen richtet sich die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage. Der Einkauf der Fertigmenüs sei zwar im Namen der Klägerin, aber für Rechnung der Belegschaftsmitglieder erfolgt. Es handele sich um eine unmittelbare Lieferung des Menüherstellers an die Arbeitnehmer der Klägerin. Die Klägerin selbst habe kein unternehmerisches Interesse an der Essenversorgung der Belegschaft. Es sei ihr nicht darauf angekommen, Fertigmenüs einzukaufen und diese als Eigengeschäft an die Mitarbeiter weiter zu verkaufen. Es bestünden auch nach den Arbeitsverträgen keine entsprechenden Verpflichtungen. Sowohl Auswahl als auch Organisation der Essenverteilung liege primär im Verantwortungsbereich der Belegschaft. Es handele sich also nicht um Leistungen der Klägerin an die Belegschaft.
Hilfsweise, für den Fall, dass dieser Rechtsauffassung nicht gefolgt werden könne, müsse die Essenlieferung allerdings dem ermäßigten Steuersatz von 7% (§ 12 Abs. und Abs. 2 UStG 1993) unterworfen werden. Es handele sich nicht um einen „Verzehr an Ort und Stelle”. Vielmehr würden von der Belegschaft zur Esseneinahme Räumlichkeiten genutzt, die ihr auch sonst als sog. „Sozialräume” zur Verfügung stünden. Die von der Belegschaft genutzten Räumlichkeiten, Tische und Stühle seien keine „besonderen Vorrichtungen” im Sinne des UStG, die zur Annahme...