vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [VIII R 15/23)]

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütung des Insolvenzverwalters als Betriebsausgabe

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Vergütung des Insolvenzverwalters stellt jedenfalls dann, wenn die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 b) InsVV nicht vorliegen, keine Betriebsausgabe dar.
  2. Die Insolvenzverwaltergebühren sind mangels Außergewöhnlichkeit auch nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig.
 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 1, § 4 Abs. 4; InsO § 1 S. 1; InsVV § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1b)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Vergütung des Insolvenzverwalters beim Betrieb des Insolvenzschuldners als Betriebsausgabe abgezogen werden kann.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn S, einem Zahnarzt. Dieser hatte eine Zahnarztpraxis in gemieteten Räumen in O betrieben. Den Gewinn ermittelte der Zahnarzt S durch Einnahme-Überschussrechnung gem. § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG).

Das Amtsgericht S – Insolvenzgericht – bestellte mit Beschluss vom 20. Mai 2016 den Kläger zunächst zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn S, ordnete unter anderem an, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind und ermächtigte den vorläufigen Insolvenzverwalter, Forderungen des Schuldners auf einem Treuhandkonto einzuziehen. Durch Beschluss vom 1. September 2016 eröffnete das Amtsgericht S das Insolvenzverfahren und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn S. Der Insolvenzschuldner führte im Zeitraum der vorläufigen Insolvenzverwaltung seine Zahnarztpraxis mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters fort. Seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt der Kläger, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis ab diesem Zeitpunkt übergegangen ist, die Zahnarztpraxis fort.

Durch Beschluss vom 16. November 2016 setzte das Amtsgericht S die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters auf einen Gesamtbetrag von 11.314,99 € fest und gestattete dem Insolvenzverwalter, diesen Betrag der Insolvenzmasse zu entnehmen, was im Jahr 2016 erfolgte. Die Festsetzung der Vergütung richtete sich gem. § 11 Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung (InsVV) nach der Teilungsmasse. Zudem wurden Auslagen in Höhe von netto 750,- € zuzüglich Umsatzsteuer nach § 8 InsVV verrechnet. Mit Beschluss vom 28. November 2017 gestattete das Amtsgericht dem Insolvenzverwalter, einen Vorschuss (§ 9 InsVV) auf seine Vergütung in Höhe eines Gesamtbetrages von 11.900 € der Insolvenzmasse zu entnehmen, was im Jahre 2017 erfolgte. Der Insolvenzverwalter setzte diese Vergütungen jeweils als Betriebsausgaben in den Gewinnermittlungen für die fortgeführte Zahnarztpraxis an.

Der Beklagte berücksichtigte die Insolvenzverwaltervergütungen in den Einkommensteuerbescheiden 2016 und 2017, jeweils vom 8. Juli 2019, nicht. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg.

Im Klageverfahren vertritt der Kläger die Auffassung, dass die Insolvenzverwaltervergütung als Betriebsausgabe bei der Zahnarztpraxis zu berücksichtigen sei. Zu Unrecht wende der Beklagte die Rechtsgrundsätze aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4. August 2016 VI R 47/13 betreffend ein Verbraucherinsolvenzverfahren auf ein Regelinsolvenzverfahren an. Der Umstand, dass der Insolvenzschuldner mit dem Betrieb der Zahnarztpraxis als Unternehmer und nicht als Verbraucher zu beurteilen sei, habe Bedeutung für die Frage, welchem Zweck das Insolvenzverfahren diene. Denn anders als das Verbraucherinsolvenzverfahren diene das Regelinsolvenzverfahren über das Vermögen eines Schuldners auch dazu, zur gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung den Erhalt des Unternehmens in einem Insolvenzplan zu regeln (§ 1 Satz 1 Halbsatz 2 Insolvenzordnung - InsO). Weiter habe der vorläufige Insolvenzverwalter, ausgerichtet an dem Grundsatz der gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) die Fortführung des Unternehmens zu erwägen und hafte bei Fortführung des Unternehmens nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen. Anders als ein Verbraucherinsolvenzverfahren diene das Regelinsolvenzverfahren über das Vermögen eines Unternehmers – hier Herr S – somit nicht nur der Tilgung der Schulden, sondern auch dem Erhalt des Unternehmens. Dieser Zweck werde im hier zu beurteilenden Sachverhalt auch tatsächlich umgesetzt, weil die Zahnarztpraxis seit der Anordnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens fortgeführt werde. Darüber hinaus erziele der Schuldner im hier zu beurteilenden Sachverhalt keine Einkünfte, die – wie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung – gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG durch einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu ermitteln seien. Vielmehr erziele der Schuldner als Zahnarzt Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit, für die nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 EStG eine Gewinnermittlung vorzunehmen sei; im vorliegenden Fall in Gestalt der Einnahme-Überschussrechn...

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