Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung zur Nutzung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs
Leitsatz (redaktionell)
Nach der Finanzgerichtsordnung vertretungsberechtigte Personen müssen dem Gericht Schriftsätze und deren Anlagen als elektronisches Dokument übermitteln, wenn ihnen dafür ein sicherer Übertragungsweg zur Verfügung steht.
Steuerberatern steht seit dem 01.01.2023 durch das besondere elektronische Steuerberaterpostfach ein sicherer Übermittlungsweg zur Verfügung.
Der verspätete richterliche Hinweis auf die Verpflichtung zur Nutzung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs rechtfertigt allein nicht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Normenkette
FGO § 52d S. 2, §§ 56, 115 Abs. 2 Nr. 3; GG Art. 19 Abs. 4, Art. 80, 103 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klage formgerecht erhoben worden ist.
Nachdem der Beklagte in Abweichung zur Einkommensteuererklärung 2020 den Anteil der privaten Kfz-Nutzung nach der 1 %-Regelung bestimmt und dem Einkommensteuerbescheid 2020 zugrundgelegt hatte, legte der Prozessbevollmächtigte hiergegen Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 07.12.2022 als unbegründet zurückwies.
Hiergegen erhob der Prozessbevollmächtigte mit Telefax vom 10.01.2023 (16.06 Uhr) Klage, deren Eingang das Gericht mit Verfügung vom 18.01.2023 bestätigte.
Mit Schreiben vom 27.02.2023 wies das Gericht darauf hin, dass Steuerberater seit dem 01.01.2023 gem. §§ 52d Satz 1 und 2, 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. §§ 86d, 86e und 157e des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) dazu verpflichtet seien, vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln und insoweit eine Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfaches als sicherem Übermittlungsweg i.S.v. §§ 52d Satz 2, 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO bestehe. Sofern vorbereitende Schriftsätze nach dem 01.01.2023 nicht in der durch § 52d Satz 1 und 2 FGO vorgeschriebenen elektronischen Form bei Gericht eingehen würden, seien diese sowie, sofern es sich um bestimmende Schriftsätze handelt, mit ihnen verbundene Prozesshandlungen unwirksam und schlössen damit eine Fristwahrung aus.
Unter dem 28.02.2023 beantragte der Prozessbevollmächtigte über das elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter erneuter Klageeinreichung. Dem Prozessbevollmächtigten habe zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch kein beSt zur Verfügung gestanden. Daher sei eine formgerechte Übermittlung aus tatsächlichen Gründen nicht möglich gewesen.
Der Prozessbevollmächtigte habe am sog. "fast-lane“-Verfahren der Bundessteuerberaterkammer (BStBK) für die entsprechende Registrierung teilgenommen. Die Mitteilung des Registrierungscodes durch die BStBK sei mit Schreiben vom 26.12.2022 (Weihnachtsfeiertag) erfolgt. Aufgrund der Postlaufzeiten über den Jahreswechsel und die erforderliche Aktivierung des beSt sei eine fristgerechte Klageerhebung über das beSt technisch nicht umsetzbar gewesen. Auch habe die BStBK die Finanzgerichte ausdrücklich darum gebeten, von einer Klageabweisung abzusehen. Es dürfe bezweifelt werden, dass der Gesetzgeber diese Rechtsfolgen habe herbeiführen wollen. Eine Wiedereinsetzung erscheine geboten.
Der Prozessbevollmächtigte führte ergänzend aus, dass die Zustellung des Registrierungsbriefes an die Zweigstelle in D… erfolgt sei. Dieses Büro sei über den Jahreswechsel nicht besetzt gewesen. Daher sei das Schreiben der BStBK erst in der 1. Kalenderwoche des Jahres 2023 in der Zweigstelle zur Kenntnis genommen und an den Unternehmenssitz in Oldenburg weitergegeben worden. Eine Nutzung des beSt im Rahmen der Kanzleisoftware sei im Januar 2023 softwareseitig noch nicht möglich gewesen. Das beSt habe außerhalb der Kanzleisoftware eingerichtet werden müssen und sei erst am 20.01.2023 einsatzbereit gewesen. Daher sei die Klageerhebung am 10.01.2023 per Fax erfolgt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid für 2020 vom 29.04.2022 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 07.12.2022 dahingehend zu ändern, dass die private PKW-Nutzung mit dem erklärten Wert in Höhe von …€ -netto- (vorsteuerbelastet: …€; vorsteuerunbelastet: …€; wobei der Betrag i.H.v. …€ je zur Hälfte der Umsatzsteuer zu 19 % und der Umsatzsteuer zu 16 % unterliegt) angesetzt und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat in mündlicher Verhandlung am 23.05.2023 um 10:30 Uhr und nach Wartezeit um 10.55 Uhr in der Sache verhandelt. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 23.05.2023 verwiesen. Kurz nach Verkündung des Urteils am 23.05.2023 um 11:00 Uhr ist der Kläger mit seinem Prozessbevollmächtigten staubedingt verspätet erschienen. Der Prozessbevollmächtigte hatte sich zuvor bei der Geschäftsst...