vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [III R 2/13)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld für polnische Saisonarbeiter
Leitsatz (redaktionell)
- Mitgliedsstaats abhängig beschäftigt ist, den Rechtsvorschriften dieses Staates. Das gilt auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedsstaats wohnt.
- Für Kinder i. S. des § 63 EStG besteht der Anspruch auf Kindergeld nur, wenn der Ast. im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder ohne Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt im Inland als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird.
- Nach § 65 EStG wird Kindergeld nicht gezahlt, wenn für das Kind im Ausland Leistungen zu zahlen sind, die mit dem Kindergeld vergleichbar sind oder Leistungen bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wären.
- Wenn jemand in Polen nur deshalb kein Kindergeld erhält, weil der erforderliche Antrag nicht gestellt worden ist, ist ein Kindergeldanspruch in der Bundesrepublik ausgeschlossen.
- § 65 EStG steht mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang.
Normenkette
EStG § 1 Abs. 3, §§ 62, 65
Streitjahr(e)
2005, 2006
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, in welchem Umfang die beklagte Familienkasse verpflichtet ist, zu Gunsten der Klägerin Kindergeld festzusetzen.
Die Klägerin ist polnische Staatsangehörige. Sie und ihr Ehemann haben eine Tochter, die am 13.04.1987 geborenen K. W. Die Familie lebte in K/Polen.
Die Klägerin bezog in dem streitigen Zeitraum in Polen eine Erwerbsunfähigkeitsrente i. H. v. 447 PLN monatlich. Der Ehemann war nicht erwerbstätig. In der Zeit vom 01.11. bis 31.12.2005 und vom 01.04. bis 31.05.2006 war die Klägerin als nicht sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmerin und vom 01.10.2006 bis 30.11.2006 sozialversicherungspflichtig bei der W. GmbH & Co. in H. beschäftigt. In Polen bestand für sie keine Sozialversicherungsplicht.
Die Tochter besuchte bis zum 27.04.2006 eine allgemeinbildende Oberschule in K.. Danach studierte sie. Einkünfte erzielte sie nicht.
In der Zeit vom 01.11.2005 bis 31.05.2006 bezog die Klägerin für die Tochter in Polen Kindergeld i. H. v. monatlich 43 PLN. Für die übrige Zeit ist in Polen Kindergeld nicht gezahlt worden, da die Klägerin keinen Antrag gestellt hat.
In Deutschland wurde die Klägerin auf ihren Antrag hin vom Finanzamt H. als unbeschränkt steuerpflichtige zur Einkommensteuer für 2005 und 2006 veranlagt.
Mit Antrag vom 11.09.2007 beantragte die Klägerin zu ihrem Gunsten Kindergeld festzusetzen. Für die Monate Oktober und November 2006 setzte die Familienkasse mit Bescheid vom 06.10.2009 nur Kindergeld i. H. v. 154 € und mit Bescheid vom 02.02.2010 für November und Dezember 2005 sowie April und Mai 2006 Kindergeld i. H. v. 77 € monatlich fest. Für die übrige Zeit 2005 und 2006 lehnte die Familienkasse die Festsetzung von Kindergeld ab.
Hiergegen richtet sich nach erfolglos gebliebenem Einspruchsverfahren die Klage. Die Klägerin ist der Auffassung, dass ein fiktiver Kindergeldanspruch in Polen nicht bestehe. Deswegen sei ihr Kindergeld in voller Höhe zu bewilligen. Der Anspruch sei nach § 62 EStG gegeben, da das Finanzamt H. sie auf ihren Antrag hin als unbeschränkt Einkommensteuerpflichtige nach § 1 Abs. 3 EStG zur Einkommensteuer veranlagt habe. Der Anspruch auf Zahlung des vollen Kindergelds für den gesamten streitigen Zeitraum sei unabhängig davon, ob die Klägerin in Deutschland sozialversicherungspflichtig gewesen sei. Dies ergebe sich sowohl aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs als auch aus den Dienstanweisungen der Beklagten (DAFam EStG 2010 62.1 Abs. 3 Satz 10). Die Kindergeldzahlungen, die die Klägerin in Polen für die Zeit von November 2005 bis Mai 2006 erhalten habe, seien nur der Höhe nach zu berücksichtigen.
In der mündlichen Verhandlung hat sich die Beklagte bereit erklärt, für November und Dezember 2005 sowie für April und Mai 2006 unter Anrechnung des polnischen Kindergeldes Kindergeld in voller Höhe festzusetzen. Die Beteiligten haben für diese Zeiträume den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Senat hat daraufhin das Verfahren insoweit vom übrigen Verfahren abgetrennt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 2. Februar 2010 unter Aufhebung des Einspruchsbescheides vom 25.10. 2010 dahingehend abzuändern, dass Kindergeld unter Anrechnung des in Polen gezahlten Kindergeldes für Januar – Oktober 2005, Januar – März 2006, Juni – Oktober 2006 und Dezember 2006 in gesetzlicher Höhe festgesetzt wird.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Klägerin nur in der Zeit den deutschen Rechtsvorschriften über das Kindergeld unterlegen sei, in der sie in der Bundesrepublik gearbeitet habe. Dies ergebe sich aus Art. 13 Abs. 2 Buchst. a VO (EWG Nr. 1408/71). Ein Kindergeldanspruch bestehe deshalb nur für die Monate der Beschäftigung in der Bundesrepublik und nicht für das gesamte Kalenderjahr.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Familienkasse hat es zu Rec...