vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [VII R 32/22)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Duldungsbescheid gemäß §§ 191, 323 AO bei einer durch Zwangssicherungshypothek besicherten Steuerforderung, die durch Erteilung der Restschuldbefreiung undurchsetzbar geworden ist
Leitsatz (redaktionell)
- Lässt die Finanzverwaltung zur Vollstreckung einer Steuerforderung eine Zwangssicherungshypothek eintragen, veräußert der Vollstreckungsschuldner anschließend das belastete Grundstück und wird ihm nach Durchführung eines Insolvenzverfahrens Restschuldbefreiung erteilt, bleibt der Erlass eines Duldungsbescheids gegenüber dem Rechtsnachfolger gemäß §§ 191, 323 AO weiterhin möglich.
- Obwohl die Steuerforderung infolge der Restschuldbefreiung gemäß §§ 286 f., 301 Abs. 1 und 3 InsO zur Naturalobligation wird, gilt sie im steuervollstreckungsrechtlichen Sinne als vollstreckbar, da § 301 Abs. 2 InsO die Vollstreckung aus der Zwangssicherungshypothek weiterhin zulässt. Die in § 191 AO vorausgesetzte Akzessorietät wird in diesen Fällen durch § 301 Abs. 2 InsO gelockert, weil ansonsten eine nicht hinnehmbare Ungleichbehandlung von privaten Gläubigern und Abgabengläubigern entstehen würde.
Normenkette
AO §§ 191, 323
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des Duldungsbescheids vom 27. Juli 2020.
Die Klägerin war verheiratet mit Herrn A (im Folgenden: Vollstreckungsschuldner). Mit diesem zusammen hatte die Klägerin das Flurstück XX/YY, Flur Z, verzeichnet im Grundbuch von S, Amtsgericht S, Blatt XXX (bis 19. Mai 2004 auf Blatt YYY), erworben. Das Grundstück wurde am 23. Dezember 2003 aufgelassen und die Eheleute am 19. Mai 2004 jeweils als hälftige Eigentümer eingetragen.
Der Vollstreckungsschuldner war in den Jahren 2001 und 2002 Umsatzsteuervorauszahlungen und Umsatzsteuernachzahlungen schuldig geblieben. Diese summierten sich einschließlich der Verspätungszuschläge, Zinsen und Säumniszuschläge bis zum 27. Juli 2004 auf eine fällige Forderung von 14.488,85 Euro auf. Wegen dieser beantragte der Beklagte beim zuständigen Amtsgericht S die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek auf den Anteil des Vollstreckungsschuldners. Unter dem 09. August 2004 erfolgte die Eintragung in Abt. III unter lfd. Nr. 3 des Grundbuchs.
Zu jenem Zeitpunkt bestanden vorrangige Belastungen in Form einer Sicherungsgrundschuld zugunsten der L iHv. 165.000,00 Euro sowie - nur für den Anteil des Vollstreckungsschuldners - einer Sicherungshypothek für die Stadt P iHv. 29.531,59 Euro. Zugunsten der Stadt P wurde in der Folgezeit schließlich eine weitere Sicherungshypothek eingetragen.
Mit Grundstückskaufvertrag vom 13. September 2004 (UR-Nr. 428 des Notars W in P) verkaufte der Vollstreckungsschuldner seinen ihm gehörenden hälftigen Anteil an die Klägerin. Unter § 5 des Vertrages („Lastenfreistellung”) heißt es:
1.) Der Verkäufer verpflichtet sich, den Kaufgegenstand frei von Belastungen in Abt. II und Abt. III des Grundbuchs und frei von schuldrechtlichen Ansprüchen Dritter zu übertragen, soweit nicht abweichende Regelungen erfolgen.
2.) Die in Abteilung lll Ziffer 1 bis 3 eingetragenen Rechte über insgesamt 209.020,44 werden als dingliche Last übernommen.
3.) Eine Befreiung des Erschienenen zu 1) (Anm.: des Vollstreckungsschuldners) von der persönlichen Schuldhaft bezüglich der Rechte Abteilung lll Ziffer 1 bis 3 erfolgt nicht.
Aufgrund der in § 6 des Grundstückkaufvertrages vereinbarten Auflassung erfolgte die Eintragung der Klägerin als alleinige Eigentümerin am 08. Oktober 2004.
Über das Vermögen des Vollstreckungsschuldners wurde am XX. Oktober 2009 beim Amtsgericht H unter dem Az. XX IN YY/ZZ das Insolvenzverfahren eröffnet. Dem Vollstreckungsschuldner wurde schließlich durch Beschluss vom YY. Dezember 2015 gem. § 300 Insolvenzordnung Restschuldbefreiung erteilt. Das Finanzamt hat für die der Zwangssicherungshypothek zugrundeliegenden Steuerforderungen im Insolvenzverfahren kein Absonderungsrecht iSd. § 49 f. Insolvenzordnung geltend gemacht. Eine Verwertung oder Geltendmachung des vom Vollstreckungsschuldner an die Klägerin veräußerten Grundstücksanteils durch den Insolvenzverwalter des Vollstreckungsschuldners zugunsten der Insolvenzmasse ist nicht erfolgt. Die Forderungen des Beklagten wurden zur Insolvenztabelle angemeldet und vom Insolvenzverwalter des Vollstreckungsschuldners unter lfd. Nr. 13 in voller Höhe festgestellt.
Mit Schreiben vom 15. Oktober 2019 meldete sich der von der Klägerin mit der Löschung der Grundlasten beauftragte Notar M und bat um Hereingabe einer Löschungsbewilligung, da die Forderung - wie er erklärte - auskunftsgemäß nicht mehr bestehe.
Der Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 22. Oktober 2019, dass die Zwangssicherungshypothek noch iHv. 14.353,22 Euro valutiere und die Übersendung einer Löschungsbewilligung nur nach Ausgleich der Steuerschulden erfolgen könne.
Im nachfolgenden Schriftwechsel ...