vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [II R 17/22 )]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Maßgeblichkeit im Vergleichswertverfahren der von den Gutachterausschüssen mitgeteilten Vergleichspreisen
Leitsatz (redaktionell)
- Der Gesetzgeber hat die Ermittlung von Vergleichspreisen und -faktoren explizit den Gutachterausschüssen aufgegeben, da diesen auf Grund ihrer besonderen Sach- und Fachkenntnis und ihrer größeren Ortsnähe sowie der in hohem Maße von Beurteilungs- und Ermessenerwägungen abhängigen Wertfindung eine vorgreifliche Kompetenz zukommt. Eine fachliche Überprüfung durch das - mit geringerer Sachkunde ausgestattete - Gericht würde dem widersprechen.
- Der Bedarf für den Erlass eines Feststellungsbescheids muss bei Eintritt der Bestandskraft des Feststellungsbescheids gegeben sein. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Feststellungsverfahren über den Grundbesitzwert kann das für die Steuererhebung zuständige Finanzamt seine Entscheidung jederzeit ändern.
- Die nach § 198 BewG dem Steuerpflichtigen zugewiesene Nachweislast geht über die reine Darlegungs- und Feststellungslast hinaus. Der Wert kann außer durch einen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zeitnah zum maßgeblichen Besteuerungsstichtag erzielten Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück grundsätzlich nur durch die Vorlage eines Gutachtens eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen geführt werden.
Normenkette
ErbStG § 12 Abs. 3; BewG § 182 Abs. 2 Nr. 1, § 19 Abs. 1, § 198
Tatbestand
Streitig ist, ob der Grundstückswert für das Wohnungseigentum xxx in zutreffender Höhe festgestellt wurde.
Das Objekt xxx ist zusammen mit neun weiteren Eigentumswohnungen durch Schenkung am 20. September 2016 auf die Klägerin übergegangen. Mit Einheitswertbescheid vom 6. August 1996 wurde für dieses Objekt (Grundstücksart: Einfamilienhaus, Wohnungs- und Teileigentum) im Wege der Nachfeststellung auf den 1. Januar 1996 ein Einheitswert von 33.000 DM festgestellt. Die zehn übertragenen Eigentumswohnungen befinden sich in zwei aneinandergebauten Wohnanlagen mit jeweils sechs Wohneinheiten, wobei aus einem der beiden Häuser bereits nach Fertigstellung in den Jahren 1995 und 1996 zwei Wohnungen an Dritte verkauft wurden. Durch die Schenkung erlangte die Klägerin Eigentum an allen Wohnungen in der Wohnanlage mit der Hausnummer xxx und an vier der sechs Wohnungen in der Wohnanlage xxx. Für jede Wohnung ist ein Wohnungsgrundbuchblatt angelegt.
Mit Schreiben vom 18. Mai 2017 forderte das Finanzamt … die einheitliche Grundbesitzstelle des Beklagten, des Finanzamts … (künftig FA), zur Feststellung eines Grundbesitzwerts auf den 20. September 2016 für das Objekt xxx auf. Als Anlage zum Schreiben wurde u.a. eine Kopie des Übergabevertrages vom 20. September 2016 sowie verschiedene Erklärungen zur Feststellung des Bedarfswerts übersandt. Nach § 1 Nr. 2 des Übergabevertrages wurden die im Wohnungsgrundbuch von xxx verzeichneten Miteigentumsanteile an dem Grundstück xxx verbunden mit dem Sondereigentum an den dort jeweils verzeichneten Wohnungen mit Sondernutzungsrechten auf die Klägerin übertragen. Während des finanzgerichtlichen Verfahrens legte das FA eine Anforderung zur Feststellung eines Grundbesitzwerts auf dem 20. September 2016 des Finanzamts … vom 21. März 2022 für das Objekt xxx vor.
Die Klägerin hatte dem Finanzamt … eine Erklärung für das bebaute Grundstück in xxx eingereicht. Für die jeweiligen Eigentumswohnungen fügte sie eine Anlage Grundstück zur Feststellungserklärung (1. Gebäude) bzw. jeweils ein Einlageblatt Anlage Grundstück zur Feststellungserklärung (weitere Gebäude) bei und beantragte eine Bewertung im Sachwertverfahren für die zehn Eigentumswohnungen als ein Objekt.
Das FA bewertete die hier streitige Eigentumswohnung als selbstständiges Objekt, wobei es hierfür zunächst den Immobilienpreiskalkulator der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte in Niedersachsen heranzog. Neben dem Geltungsjahr und der Lage des Grundstücks legte es hierbei die Objektart (Eigentumswohnung), das Baujahr 1995 und die Wohnfläche (91 m²) zugrunde. Den sich hieraus ergebenden Wert i.H.v. 125.000 € stellte das FA mit Bescheid vom 2. Juni 2017 auf den Stichtag 20. September 2016 als Grundbesitzwert für das Objekt fest.
Im von der Klägerin hiergegen geführten Einspruchsverfahren reichte diese ein Immobilien-Wertgutachten für das Objekt xxx des Bauchsachverständigen xxx vom 23. November 2018 ein, wonach es sich bei dem Wertermittlungsobjekt um ein Mehrfamilienhaus handele und der Verkehrswert 880.000 € betrage.
Hierzu gab der amtliche Bausachverständige des FA am 23. Januar 2019 eine Stellungnahme ab. Der Sachverständige xxx habe die 10 Eigentumswohnungen in ihrer Gesamtheit als Mehrfamilienhaus bewertet. Sowohl die Ertragswertberechnung des Gutachters als auch die Vergleichsangebote bezögen sich auf Mehrfamilienhäuser. Ein Verkehrswertgutachten für die Grundstücksart Wohnungs- und Teileigentum sei nicht erbracht ...