vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [III R 26/20)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld bei länderübergreifendem Sachverhalt
Leitsatz (redaktionell)
- Bei der Rückforderung von zu Unrecht gezahltem Kindergeld ergibt sich bei länderübergreifenden Sachverhalten eine Anspruchskonkurrenz des Anspruchs nach den den europarechtlichen Regelungen der Nr. 883/2004 (VO) und Nr. 987/2009 (DVO) mit dem Rückforderungsanspruch nach den nationalen Vorschriften.
- Der Rückzahlungsanspruch der Familienkasse gegenüber dem Empfänger des Kindergeldes nach nationalen Vorschriften und ein Erstattungsanspruch gegenüber dem ausländischen Träger von Familienleistungen (hier Schweden) nach Art. 84 VO, Art. 72 DVO begründen eine Gesamtschuldnerschaft. Die Familienkasse muss daher eine Ermessensentscheidung treffen, welchen Schuldner sie in Anspruch nehmen will.
Normenkette
AO 1977 § 37 Abs. 2; EGV 987/2009; EStG § 70 Abs. 2; EGV 883/2004
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob sich unter Anwendung der europarechtlichen Verordnungen Nr. 883/2004 (VO), Nr. 987/2009 (DVO) als überstaatliche Vorschriften eine Anspruchskonkurrenz ergibt, die einem inländischen Anspruch der Klägerin entgegensteht. Ferner ist streitig, ob möglicherweise zu Unrecht gezahltes Kindergeld von der Klägerin zurückgefordert werden kann.
Die Klägerin hat ihren Wohnsitz im Inland (…). Sie ist schwedische Staatsangehörige und Mutter der in ihrem Haushalt lebenden Kinder … (geb. ...02.2006) und (geb. ...03.2012). Sie hat das alleinige Sorgerecht für die Kinder. Der von der Klägerin geschiedene Kindesvater lebt in Schweden und übt dort seit Januar 2017 eine Erwerbstätigkeit aus. Die Klägerin ist nicht erwerbstätig und bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes.
Die Familienkasse zahlte für die Kinder zunächst laufend Kindergeld. Nach Kenntniserlangung über die Erwerbstätigkeit des Kindesvaters hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Januar bis Juli 2017 mit Bescheid vom 03.07.2018 teilweise auf. Sie führte aus, deutsches Kindergeld sei gegenüber den schwedischen Leistungen nachrangig, für den genannten Zeitraum bestehe nur noch ein Anspruch in Höhe des Unterschiedsbetrages. Den bereits überzahlten Betrag in Höhe von insgesamt 1.529,92 € forderte die Familienkasse von der Klägerin zurück.
Den dagegen eingelegten Einspruch wies die Familienkasse mit Einspruchsbescheid vom 12.09.2018 zurück und hielt daran fest, dass der für die Kinder in Schweden bestehende Anspruch vorrangig sei.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, da sie das alleinige Sorgerecht habe und der Kindesvater keinerlei Unterhalt leiste, sei eine Anrechnung schwedischer Familienleistungen nicht zulässig. Die Klägerin hält den Anwendungsbereich der europarechtlichen Verordnungen nicht für eröffnet.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 03.07.2018 und die Einspruchsentscheidung vom 12.09.2018 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält im Klageverfahren an ihrer Auffassung fest. Die schwedischen Familienleistungen seien zu Recht angerechnet worden. Zwar habe der schwedische Träger mitgeteilt, dass der in Schweben lebende und arbeitende Kindesvater dort mangels Sorgerecht keinen Anspruch auf Familienleistungen habe, der schwedische Träger habe aber die Regelung des Art. 60 VO (EG) 987/2009 außer Acht gelassen. Danach sei hinsichtlich des Rechts einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen, als würde alle Beteiligten unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedsstaates fallen und dort wohnen. Dies bedeute für den Streitfall, dass Schweden aufgrund der Erwerbstätigkeit des Kindesvaters vorrangig zuständig sei. Mangels Sorgerecht folge daraus zwar kein Anspruch des Kindesvaters, die in Deutschland lebende Kindesmutter müsse in Schweden jedoch so behandelt werden, als ob sie dort leben und den Rechtsvorschriften unterliegen würde. Die Beklagte habe daher die Kindergeldfestsetzung zu Recht aufgehoben.
Ferner habe sie das an die Kindesmutter für die Monate Januar bis Juli 2017 bereits gezahlte Kindergeld zu Recht zurückgefordert. Dem Wortlaut von Art. 84 VO (EG) 883/2004 und Art. 72 VO (EG) 987/2009 sei nicht zu entnehmen, dass die Beklagte verpflichtet wäre, das zu erstattende Kindergeld vom schwedischen Träger einzufordern. Unabhängig davon habe sie erfolglos versucht, eine Erstattung von schwedischer Seite zu erlangen.
Die Beklagte hat während des Klageverfahrens gegenüber dem schwedischen Träger erstmals mit Schreiben vom 18.08.2018 einen Erstattungsanspruch angemeldet und auf die vorrangige Zuständigkeit des schwedischen Trägers hingewiesen. Nach mehrmaliger Erinnerung, zuletzt mit Schreiben vom 13.6.2019 übersandte der schwedische Träger der Beklagten lediglich eine Bescheinigung, w...