Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückstellungen wegen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall auch unzulässig, wenn durch Vorlage eines versicherungsmathematischen Gutachtens der zu erwartende Lohnbetrag für die Krankheitszeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit richtig angegeben wird
Leitsatz (redaktionell)
Selbst wenn durch Vorlage eines versicherungsmathematischen Gutachtens der zu erwartende Lohnbetrag für die Krankheitszeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit richtig angegeben wird, sind Rückstellungen wegen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall unzulässig. Denn für Arbeitsverträge gilt die Vermutung der Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung. Zum Kreis der in die Gleichwertigkeitsvermutung einzustellenden Aufwendungen gehören alle Leistungen, die aufgewendet werden müssen, um die Gegenleistung der anderen Partei zu erhalten. Dazu gehören auch Gehaltsaufwendungen des Arbeitgebers für künftige Krankheitstage.
Normenkette
EStG § 5; KStG § 8 Abs. 1; BGB § 616
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Zulässigkeit der Bildung einer Rückstellung wegen Lohn- und Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall streitig.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Unternehmensgegenstand vorwiegend der Handel mit elektrischen und elektronischen Geräten, insbesondere im Bereich der Messtechnik ist. Die Gesellschaft stellte Ende 1991 ihre aktive Geschäftstätigkeit ein. Am 22. November 1993 wurde die Auflösung der Gesellschaft ins Handelsregister eingetragen. Der auch in den Streitjahren alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer ... V... ist zum alleinvertretungsberechtigten Liquidator bestellt. In dem Wirtschaftsjahr 1990 beschäftigte die Klägerin neben zwei Geschäftsführern vierzehn Angestellte, im Folgejahr lediglich dreizehn Angestellte.
In der Bilanz zum 31.12.1990 bildete die Klägerin eine Rückstellung für Lohn- und Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfalle in Höhe von 42.200,00 DM. Auf Grund einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung vertrat der Beklagte die Auffassung, die Rückstellung sei unzulässiger Weise gebildet worden und löste diese gewinnerhöhend auf.
Neben weiteren hier nicht streitigen Änderungen berücksichtigte der Beklagte die Gewinnerhöhung im geänderten Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermeßbescheid 1990 vom 9.3.1994 in der Fassung des weiteren Änderungsbescheides vom 20.4.1994. Den Einspruch wies der Beklagte durch Bescheid vom 14. April 1997 als unbegründet zurück.
Mit ihrer hiergegen gerichtete Klage begehrt die Klägerin die Anerkennung der Rückstellung für Lohn- und Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfalle in Höhe von 42.200,00 DM. Zur Begründung führt sie im wesentlichen aus, nach dem Grundsatz ordnungsgemäßer Buchführung bestehe ein Bilanzierungsverbot für Verbindlichkeiten aus schwebenden Geschäften. Eine Passivierung sei erstzulässig, wenn das Gleichgewicht der Vertragsbeziehung entweder durch Erfüllungsrückstände oder Vorleistungen gestört sei oder wenn der Wert der künftigen Verpflichtung den Wert der künftigen Gegenleistung übersteige. Daher sei zunächst zu untersuchen, ob sich vertragliche Leistungen gegenüber stünden. Auf einer zweiten Stufe müsse schließlich geprüft werden, ob die Leistung und Gegenleistung ausgeglichen seien. Zwar bestehe eine Ausgeglichenheitsvermutung. Diese sei jedoch nach der Rechtsprechung des BFH widerlegbar.
Die Durchbrechung des Synallagmas im Falle der Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle bestehe darin, dass - dem Urlaubsanspruch vergleichbar - eine Entgeltzahlung durch den Arbeitgeber erfolge, ohne dass der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung zu erbringen habe. Diese Durchbrechung des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung führe jedoch noch nicht per se zum Erfüllungsrückstand des Arbeitgebers. Deshalb sei eserforderlich, den Lohnfortzahlungsanspruch in die Gegenüberstellung und die Gleichwertigkeitsvermutung mit einzubeziehen, was eine Qualifizierung als Teil der Aufwendungen des Arbeitgebers voraussetze. Hieraus ergebe sich, dass eine Rückstellung für Lohn-/Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfalle grundsätzlich zulässig sei, sofern die Unausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung bejaht werde. Diese Unausgeglichenheit könne durch Wahrscheinlichkeitsberechnung bzw. versicherungsmathematische Berechnung belegt werden. Eine derartige Prognose und Wahrscheinlichkeitsrechnung sei nach der Rechtsprechung des BFH ein zulässiges Mittel, den Erfüllungsrückstand zu belegen und damit die Gleichwertigkeitsvermutung zu widerlegen. Ein entsprechendes versicherungsmathematisches Gutachten liege für die Klägerin vor.
Ferner sei darauf hinzuweisen, dass eine Parallele zwischen der Rückstellung für Lohn- und Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall und für Altersteilzeitarbeitsverhältnisse bestehe. Gerade beimsogenannten Blockmodell werde deutlich, dass Vorleistungen des Arbeitnehmers in jungen Jahren durch Freistellungs- oder Abwesenheitsphasen in älteren Jahren ausgeglichen würden. Es bestünden Erfüllungs...