Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf der Bestellung als Steuerberater
Leitsatz (redaktionell)
- Die Bestellung eines Steuerberaters ist zu widerrufen, wenn dieser in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind.
- Ein Vermögensverfall wird vermutet, wenn über das Vermögen des Steuerberaters ein Insolvenzverfahren eröffnet oder dieser in das vom Insolvenz- oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis eingetragen ist.
- Es liegt auf der Hand, dass die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerberaters nach der InsO eintretenden Rechtsfolgen nicht geeignet sein können, die Vermutung des Vermögensverfalls zu widerlegen.
- Geordnete wirtschaftliche Verhältnisse des insolvent gewordenen Steuerberaters sind noch nicht wieder hergestellt, solange dem Steuerberater nicht die Restschuldbefreiung erteilt und ein Insolvenzplan aufgestellt ist.
Normenkette
StBerG § 46 Abs. 2 Nr. 4; InsO § 26 Abs. 2, § 89; ZPO § 915
Streitjahr(e)
2003, 2004
Tatbestand
Streitig ist der Widerruf der Bestellung des Klägers als Steuerberater.
Der … geborene Kläger wurde … zum Steuerberater bestellt. Seit … übt er seine Tätigkeit in einer Einzelpraxis aus. Am 22. Juni 2006 wurde das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet. Die festgestellten Forderungen der absonderungsberechtigten Gläubiger betragen 898.000 EUR und die der übrigen Gläubiger 280.000 EUR. Die Forderungen des Finanzamts belaufen sich auf 112.748,21 EUR. Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schuldete der Kläger dem Finanzamt Umsatzsteuer Januar bis März 2006 in Höhe von 4.687,69 EUR sowie aufgrund der Jahreserklärungen 2003 und 2004 wegen Falschbuchungen Zahllasten in Höhe von 2.536 EUR.
Der Kläger schloss mit dem Insolvenzverwalter am 1. Oktober 2006 einen „Freigabe-Vergleich”, in dem sich der Kläger zur Zahlung von 1.000 EUR monatlich auf das Anderkonto des Insolvenzverwalters verpflichtete. Die dem Kläger darüber hinaus verbleibenden Einnahmen und die restlichen Betriebsmittel der Steuerberaterpraxis gab der Insolvenzverwalter für die Dauer des gerichtlichen Insolvenzverfahrens frei. Der Kläger hat dem Insolvenzverwalter einen Insolvenzplan vom 1. August 2008 vorgelegt. Eine Stellungnahme des Insolvenzverwalters oder eine Annahme durch die Gläubigerversammlung sind noch nicht erfolgt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Freigabe-Vergleich vom 1. Oktober 2006 und den Insolvenzplan vom 1. August 2008 verwiesen.
Die Beklagte widerrief nach Gewährung rechtlichen Gehörs mit Bescheid vom 16. August 2007 die Bestellung des Klägers als Steuerberater wegen Vermögensverfalls gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 Steuerberatungsgesetz (StBerG). Die Entscheidung wurde damit begründet, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers werde ein Vermögensverfall gesetzlich vermutet. Der Kläger befinde sich auch tatsächlich in Vermögensverfall. Die Oberfinanzdirektion … habe mitgeteilt, dass am 12. Juli 2006 gegenüber dem Finanzamt X Steuerrückstände in Höhe von 80.389,17 EUR bestünden und das Finanzamt nach erfolglosen Vollstreckungsmaßnahmen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt habe.
Die gesetzliche Vermutung sei zwar widerlegbar, von dem Kläger aber nicht widerlegt worden. Zumindest bis zur Annahme und Bestätigung eines Insolvenzplans (§§ 235 ff. InsO) oder – im Verbraucherinsolvenzverfahren nach § 304 ff. Insolvenzordnung (InsO) – bis zur Annahme eines Schuldenbereinigungsplans oder der Ersetzung der Zustimmung zu demselben (§§ 308, 309 InsO). Der Kläger habe keinen Insolvenzplan vorgelegt. Der Abschluss des Freigabevergleichs sei kein dem Insolvenzplan gleichbedeutender Umstand. Die Freigabe wirke nur für die Dauer des Insolvenzverfahrens. Ob es danach zu einer zeitnahen Befriedigung der Gläubiger komme, sei nicht sicher. Im Gegensatz dazu werde mit der Bestätigung des Insolvenzplans das Insolvenzverfahren eingestellt und der Insolvenzplan entfalte seine Wirkungen. Der vorliegende Freigabe-Vergleich schaffe nur eine (eingeschränkte) Ordnung der Vermögensverhältnisse bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens, während der Insolvenzplan zu einer dauerhaften Ordnung führe. Das Niedersächsische Finanzgericht habe mit Urteil vom 11. Januar 2007 (6 K 425/06) entschieden, dass trotz Freigabe einer Steuerberaterpraxis durch den Insolvenzverwalter von einem Vermögensverfall auszugehen sei.
Die Darlegungs- und Feststellungslast für den Ausnahmetatbestand („es sei denn”), dass Auftraggeberinteressen nicht gefährdet seien, habe der Kläger zu tragen. Im Streitfall sei von einer konkreten Gefährdung der Auftraggeberinteressen auszugehen. Der Kläger habe fällige Umsatzsteuer in Höhe von 7.223,69 EUR nicht an das Finanzamt abgeführt. Aus dem Umstand, dass der Kläger seinen gesetzlichen Pflichten nicht nachgekommen sei, sei zu folgern, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass er auch vertragliche Verpflichtungen gegenüber seinen Mandanten unbeachtet lassen könnte. ...