rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorliegen einer Arzneiware i. S. der Position 3004 KN oder einer Lebensmittelzubereitung i. S. der Position 2106 KN
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Einreihung einer Ware als Arzneimittel ist es nicht erforderlich, dass auf dem Etikett, der Verpackung oder dem Beipackzettel ein ”Wirkmechanismus“ beschrieben wird.
2. Zur Ermittlung der objektiven Beschaffenheitsmerkmale der Ware können die Angaben auf dem Etikett, der Verpackung und dem Beipackzettel herangezogen werden.
3. Für die Qualifizierung als Lebens- oder Arzneimittel kommt es zolltariflich nicht darauf an, aus welchen arznei- oder lebensmittelrechtlichen Gründen der Erzeuger die Bezeichnung oder Darbietung des Erzeugnisses gewählt oder die Indikationen für das Präparat angegeben hat.
Normenkette
UStG 2005 § 12 Abs. 2 Nr. 1; KN Pos 3004; KN Pos 2106; AEUV Art. 267
Tatbestand
Streitig ist im 2. Rechtsgang, ob die Lieferung des von der Klägerin vertriebenen Produkts XXX dem Regelsteuersatz oder dem begünstigten Steuersatz unterliegt.
Im ersten Rechtsgang traf der Senat in seinem Urteil vom 14. April 2016 11 K 10239/15 folgende Feststellungen:
Bei dem von der Klägerin vertriebenen Produkt XXX soll es sich nach der Packungsbeilage um ein ”diätetisches Lebensmittel für besondere Zwecke, ergänzende bilanzierte Diät für Erwachsene zur diätetischen Behandlung bei altersabhängiger Makuladegeneration“ handeln. Laut einer unverbindlichen Auskunft für Umsatzsteuerzwecke der Oberfinanzdirektion Nürnberg am 20. September 2005 soll die Einreihung in die Position 2106 der kombinierten Nomenklatur (KN) zum Umsatzsteuersatz von sieben Prozent erfolgen. Diese unverbindliche Auskunft wurde vom Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung, München mit Schreiben vom 21. Januar 2011 widerrufen. Zur Begründung hieß es, das Erzeugnis sei wegen der hohen Dosierung an Vitamin E und der Indikation ”ergänzende bilanzierte Diät für Erwachsene zur diätetischen Behandlung bei altersabhängiger Makuladegeneration“ als Arzneiware i.S. der Position 3004 KN einzuordnen. Die Klägerin reichte am 18. Dezember 2012 eine Umsatzsteuererklärung für 2011 ein, in der sie die streitigen Leistungen einem Steuersatz von 7 % unterwarf. Für 2012 reichte sie am 20. März 2014 eine Umsatzsteuererklärung ein, in der sie die streitigen Leistungen zunächst ebenfalls zum ermäßigten Steuersatz erklärte, welcher der Beklagte, das Finanzamt (FA), jedoch nicht zustimmte. Am 4. April 2014 reichte die Klägerin eine neue Umsatzsteuererklärung für 2012 ein, in der sie die streitigen Leistungen einem Steuersatz von 19 % unterwarf.
Das FA führte in der Zeit vom 6. Juni 2012 bis zum 3. Juli 2012 bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch. Die Prüferin sah die Voraussetzungen für den ermäßigten Umsatzsteuersatz als nicht erfüllt an und unterwarf die Umsätze dem Regelsteuersatz. Das FA erließ am 4. September 2012 einen entsprechend geänderten Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für die Monate Januar bis Dezember 2011 und für das 1. Quartal 2012. Während des Einspruchsverfahrens erließ das FA am 8. Februar 2013 einen Jahressteuerbescheid für 2011, gegen den die Klägerin erneut Einspruch einlegte. Außerdem erging am 21. Februar 2013 eine neue unverbindliche Auskunft für Umsatzsteuerzwecke, die das Produkt der Position 3004 KN mit einem Umsatzsteuersatz von 19 v.H. zuordnete. Zur Begründung heißt es u.a., die täglich zuzuführende Wirkstoffmenge an Vitamin E und Vitamin C gingen bei bestimmungsgemäßer Anwendung deutlich über das für die allgemeine Ernährung notwendige Maß hinaus. Die Werte der täglich empfohlenen Dosierung für die Vitamine würden um mehr als das Dreifache überschritten.
Das FA verwarf daraufhin den Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid 2011 mit Bescheid vom 9. September 2013 mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig. Das bereits laufende Einspruchsverfahren wurde nach § 365 Abs. 3 AO fortgesetzt. Im Übrigen wurden die Einsprüche gegen die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide Januar bis Dezember 2011 und das 1. Quartal 2012 mit demselben Bescheid als unbegründet zurückgewiesen. Das Produkt sei unter Berücksichtigung der zusätzlichen Anmerkung 1 zu Kapitel 30 KN als Arzneiware der Position 3004 KN einzuordnen. Die in der genannten Anmerkung aufgeführten Voraussetzungen lägen sämtlich vor, insbesondere auch die, dass bei der Zubereitung auf der Grundlage von Vitaminen, Mineralstoffen, essentiellen Aminosäuren oder Fettsäuren die Menge eines dieser Stoffe pro auf dem Etikett angegebener empfohlener Tagesdosis deutlich höher sein müsse, als die für den Erhalt der allgemeinen Gesundheit oder des allgemeinen Wohlbefindens empfohlene Tagesdosis.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage machte die Klägerin im 1. Rechtsgang geltend, XXX sei als Lebensmittelzubereitung in Kapitel 21 Position 2106 Anhang I KN einzureihen und unterliege daher dem ermäßigten Steuersatz. Wie bereits die Verkehrsbezeichnung ”diätetisches Lebensmittel für besondere medizin...