Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Leitsatz
Die aus § 52d FGO folgende Nutzungspflicht erweist sich als weitere, von Amts wegen zu berücksichtigende Formvorschrift für rechtswirksame Prozesshandlungen durch bestimmende Schriftsätze.
Sachverhalt
Mit Antragschreiben vom 28.3.2023 beantragte der prozessbevollmächtigte Steuerberater per Briefpost die Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 2014 beim FG. Nachdem die Geschäftsstelle des FG nach Einsicht im EGVP-Adressbuch festgestellt hatte, dass der Prozessbevollmächtigte sich bereits am 15.3.2023 für das beSt freigeschaltet hatte, wies das FG ihn unter Bezugnahme auf die Vorschriften der §§ 52a, 52d FGO auf Zweifel an der Zulässigkeit des Antrags hin und forderte ihn zur Stellungnahme auf. Dieses Schreiben wurde per EGVP an die von der Bundessteuerberaterkammer für den Prozessbevollmächtigten hinterlegte Safe ID versandt. Eine Stellungnahme durch den Prozessbevollmächtigten erfolgte nicht.
Entscheidung
Das FG hat den Antrag als unzulässig verworfen, weil der Antrag wegen des Verstoßes gegen die Pflicht zur elektronischen Übermittlung als nicht eingereicht gelten würde.
Die grundsätzlich gebotene Schriftform werde im Anwendungsbereich des § 52d FGO durch die elektronische Form verdrängt. Die aus § 52d FGO folgende Nutzungspflicht erweise sich damit als weitere, von Amts wegen zu berücksichtigende Formvorschrift für rechtswirksame Prozesshandlungen durch bestimmende Schriftsätze. Die Vorschrift gelte für alle Verfahren nach der FGO und knüpfe allein an den Status als Steuerberater an.
Ein Dokument, das unter Verstoß gegen die Pflicht zur elektronischen Übermittlung in Papierform oder als Telefax übermittelt worden sei, gelte prozessrechtlich als nicht eingereicht. Die in dem Dokument enthaltenen Prozesshandlungen seien unwirksam.
Nach den Feststellungen des Gerichts (EGVP-Geschäftsstelle) im EGVP-Adressbuch sei der Prozessbevollmächtigte zumindest ab 15.3.2023 für das beSt freigeschaltet gewesen. Eine vorübergehende Unmöglichkeit aus technischen Gründen nach § 52d Satz 4 FGO sei weder vorgetragen noch unverzüglich glaubhaft gemacht. Vielmehr habe sich der Prozessbevollmächtigte gar nicht geäußert.
Hinweis
Die Einführung des beSt erfolgte zum 1.1.2023 und alle initialen Registrierungsbriefe wurden bis zum 17.3.2023 versandt. Ab Zustellung des Registrierungsbriefs unterliegen Angehörige des Berufsstands der Verpflichtung, das beSt einzurichten und es besteht eine aktive Nutzungspflicht für Zustellungen von elektronischen Dokumenten an die Gerichte.
Zur Frage, ob Steuerberater bereits ab dem 1.1.2023 und damit vor Erhalt des Registrierungsbriefs zur aktiven Nutzung des beSt verpflichtet waren, liegen bereits mehrere, teilweise divergierende Entscheidungen der Instanzengerichte vor. Allerdings geht der BFH von einer grundsätzlichen Pflicht zur Nutzung mit der Fast lane der Bundessteuerberaterkammer ab dem 1.1.2023 aus (BFH, Beschluss v. 28.4.2023, XI B 101/22, BFH/NV 2023 S. 930). Zwischenzeitlich ist allerdings ein weiteres Revisionsverfahren zu der in Rede stehenden Frage anhängig, Az beim BFH X R 12/23.
Link zur Entscheidung
FG Nürnberg, Beschluss v. 19.04.2023, 6 V 357/23