Leitsatz
Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen i.S.d. § 7h Abs. 1 EStG nur in Anspruch nehmen, wenn die zuständige Gemeindebehörde die Erfüllung der Voraussetzungen des § 7h Abs. 1 EStG objektbezogen bescheinigt.
Normenkette
§ 7h EStG, § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 177 BauGB
Sachverhalt
Der Kläger erwarb in einem ehemaligen zu Wohnzwecken umgebauten Kasernengebäude eine im Dachgeschoss neu errichtete Eigentumswohnung. Entsprechend der für das Gebäude ausgestellten Bescheinigung der Gemeinde stellte das FA zunächst die Fördervoraussetzungen zugunsten des Klägers fest, hob den Bescheid jedoch nach einer Außenprüfung mit der Begründung auf, der Kläger habe einen nicht förderfähigen Neubau erworben. Das FG hat die Klage abgewiesen (FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27.2.2013, 3 K 1620/09, Haufe-Index 5062893, EFG 2013, 1573).
Entscheidung
Der BFH hat das Urteil des FG im Ergebnis bestätigt, die Fördervoraussetzungen jedoch nur deshalb als nicht erfüllt angesehen, weil die Gemeinde die Fördervoraussetzungen nicht objektbezogen bescheinigt hatte.
Hinweis
§ 177 BauGB sieht vor, dass die Gemeinde die Modernisierung oder Instandsetzung von Gebäuden anordnen kann. Kommt der Eigentümer dem städtebaulichen Gebot nach und führt er die Maßnahmen aus, dann wird er vom Steuerrecht dafür belohnt. § 7h EStG gewährt (für Vermieter) großzügige Sonderabschreibungen; § 10f Abs. 1 EStG sieht für Selbstnutzer eine entsprechende steuerliche Vergünstigung vor. Soll nicht der Bauträger, sondern der Erwerber in den Genuss der steuerlichen Förderung kommen, erfordert dies in der Praxis einigen Gestaltungsaufwand. Wer als Erwerber die Steuervorteile bei seiner Finanzierung eingeplant hat, läuft ein hohes Risiko, wenn das FA am Ende nicht mitspielt.
1.§ 7h Abs. 1 EStG bestimmt die Voraussetzungen, die in Bezug auf das Gebäude und die Maßnahmen erfüllt sein müssen. Diese Voraussetzungen müssen außerdem durch eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde nachgewiesen werden. Die Bescheinigung dient nicht nur dem Nachweis von Tatsachen; sie ist zugleich materiell-rechtliche Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Vergünstigung. Der Nachweis, dass die Fördervoraussetzungen erfüllt sind, kann also nicht auf andere Weise erbracht werden.
a) |
Inhaltliche Anforderungen: Alle in § 7h Abs. 1 EStG genannten Voraussetzungen müssen bescheinigt sein. Bei Unklarheiten kann die Bescheinigung ausgelegt werden. Ergibt die Auslegung, dass die Bescheinigung inhaltlich unzureichend ist, kann die Förderung nicht gewährt werden, auch wenn die Fördervoraussetzungen tatsächlich vorliegen. |
b) |
Der BFH hat nun im Besprechungsurteil ergänzend verlangt, dass die Bescheinigung objektbezogen ausgestellt werden muss. Wird z.B. – wie im Streitfall – ein ehemaliges Kasernengelände zu Wohnungen umgebaut, genügt es nicht, wenn sich die Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde auf die einzelnen Baukörper erstreckt. Vielmehr muss für jede einzelne geplante oder hergestellte Wohnung eine Bescheinigung mit dem entsprechenden Inhalt beigebracht werden. Das ergibt sich schon aus § 7h Abs. 3 EStG. Danach sind die Abs. 1 und 2 auf Gebäudeteile, die selbstständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, sowie auf Eigentumswohnungen und im Teileigentum stehende Räume (Objekte) entsprechend anzuwenden. |
c) |
Daran fehlte es im Streitfall. Die vom Kläger beigebrachte Bescheinigung war nicht objektbezogen. Deshalb konnte die Klage keinen Erfolg haben. Der BFH hat aber darauf hingewiesen, dass eine objektbezogene Bescheinigung möglicherweise noch beigebracht werden kann. |
2. Zu der eigentlich streitigen Frage, wie weit die Finanzbehörden (jenseits von Auslegungsfragen) an den Inhalt der Bescheinigung gebunden sind, enthält das Urteil keine tragenden Ausführungen. Umso interessanter dürften die beiläufigen Äußerungen des Senats zu den verfahrensrechtlichen Wirkungen der Bescheinigung für die Praxis sein:
a) |
Der IX. Senat des BFH hält daran fest, dass die Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde Grundlagenbescheid ist und dass die darin bescheinigten Tatsachen (auch mangels eigener Sachkunde) nicht der Überprüfung durch das FA unterliegen. Der Umfang der Bindungswirkung erstreckt sich dabei auf sämtliche gem. § 7h Abs. 1 EStG zu bescheinigenden Voraussetzungen (Rz. 17). |
b) |
Offen ist derzeit, ob die Finanzbehörden dazu berechtigt sind, einen nicht förderfähigen Neubau anzunehmen, obwohl die Gemeinde (mit Bindungswirkung) die Durchführung von Modernisierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen an einem Gebäude bescheinigt hat. Der X. Senat des BFH scheint die Frage zu bejahen (z.B. BFH, Urteil vom 2.9.2008, X R 7/07, BFH/NV 2009, 1292). Einige Finanzgerichte, so auch das FG im Streitfall, sind dem gefolgt. Das Besprechungsurteil lässt deutlich erkennen, dass der IX. Senat die Frage wohl anders beantworten würde. Im Ergebnis kann jedenfalls die Reichweite der Bindungswirkung für die Anwendung des § 10f EStG nicht anders bestimmt werden als bei § 7h EStG. |
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