Sachverhalt
Bei dem Verfahren stand die EG-rechtliche Zulässigkeit von § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. d des Österreichischen Umsatzsteuergesetzes (UStG 1994) zur Debatte. Die Regelung besteht seit dem 6.1.1995. Mit ihr soll erreicht werden, dass österreichische Unternehmer, die im Ausland die in § 12 Abs. 2 Z. 2 UStG genannten Vorleistungen (unter anderem die Anmietung von Pkw) in Anspruch nehmen und im Ausland die darauf entfallende Vorsteuer abziehen können (d.h. erstattet bekommen), mit österreichischer Umsatzsteuer belastet werden. Damit soll eine Gleichstellung mit den Unternehmern herbeigeführt werden, die derartige Leistungen im Inland beziehen und nach § 12 Abs. 2 Z. 2 UStG 1994 die Vorsteuer nicht abziehen können. Die Klägerin, eine GmbH mit Sitz in Österreich, hatte von einer in Deutschland ansässigen Leasingfirma einen Pkw angemietet und das Fahrzeug in Österreich für Zwecke ihres Unternehmens genutzt. Das beklagte Finanzamt hatte das Mietentgelt für den Pkw dementsprechend der Eigenverbrauchsbesteuerung unterworfen.
Entscheidung
Der EuGH hat entschieden, dass dies aus mehreren Gründen EG-rechtlich unzulässig war. Die Leasingleistung ist eine in Deutschland steuerbare und steuerpflichtige Leistung, die nicht ein zweites Mal (in Österreich) der Umsatzsteuer unterworfen werden kann. Die Unzulässigkeit einer solchen Doppelbesteuerung wird auch nicht dadurch beseitigt, dass die Klägerin in Deutschland über das Vorsteuervergütungsverfahren von der (deutschen) Umsatzsteuer entlastet worden ist.
§ 1 Abs. 1 Z. 2 lit. d UStG ist erst am 6.1.1995 in Kraft getreten. Damit kann die Regelung auch nicht mit Artikel 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie gerechtfertigt werden. Die Regelung kann nicht wie ein Vorsteuerausschluss angesehen werden, der nach dieser Vorschrift beibehalten werden könnte. Artikel 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie stellt nur auf Bestimmungen ab, die als solche in dem jeweiligen Mitgliedstaat zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der 6. EG-Richtlinie bereits geltendes Recht waren. Da § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. d UStG erst am 6.1.1995, also nach dem Beitritt Österreichs zur EU (1.1.1995), wirksam wurde, kann Artikel 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie nicht erfüllt sein. Im Übrigen werden mit dieser Vorschrift nur echte Vorsteuerausschlüsse, nicht jedoch Bestimmungen über eine Ausgangsbesteuerung angesprochen.
Auch Artikel 17 Abs. 7 ist - vorbehaltlich der Frage, ob hierin tatsächlich eine Rechtsgrundlage liegt - nicht einschlägig, da Österreich den Mehrwertsteuer-Ausschuss (Artikel 29 der 6. EG-Richtlinie) nicht vor In-Kraft-Treten der Regelung konsultiert hat (dies ist zwar bereits nachgeholt worden, gleichwohl hat die EU-Kommission in der Zwischenzeit gegen Österreich ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, weil die streitige Regelung noch immer in Kraft ist).
Auf Artikel 6 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie konnte die Regelung schon deshalb nicht gestützt werden, weil die Leasingleistung unstreitig für Zwecke des Unternehmens bezogen worden waren, Artikel 6 Abs. 2 jedoch auf eine unternehmensfremde Verwendung von Aufwendungen abstellt.
Hinweis
Mittelbar hat der EuGH m.E. entschieden, dass Vorsteuerausschlüsse eines Mitgliedstaates grundsätzlich für das Recht über die Vorsteuervergütung eines anderen Mitgliedstaates (Erstattungsstaat) unbeachtlich sind. Der Erstattungsstaat, in dem ein solcher Vorsteuerausschluss nicht gilt, ist nicht gehindert, einem Unternehmer Vorsteuern zu erstatten, die in seinem Sitzstaat nicht abziehbar sind. Der EuGH ist ganz offensichtlich davon ausgegangen, dass die 6. EG-Richtlinie Vorsteuerausschlüsse einzelner Mitgliedstaaten noch zulässt und demzufolge auch mögliche Wettbewerbsverzerrungen, die sich daraus ergeben (wie im Vorlagefall etwaige Nachteile österreichischer Leasingunternehmen gegenüber ihren deutschen Konkurrenten), in Kauf nimmt.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 11.09.2003, C-155/01