Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf eines mit einem Kaufvertrag verbundenen Darlehensvertrages: Einwand des Rechtmissbrauchs bei Ausübung eines verbrieften Rückgaberechts nach erklärtem Widerruf
Leitsatz (amtlich)
1. Nimmt der Verbraucher in Kenntnis eines von ihm erklärten Widerrufs der Verbraucherdarlehensvertrages Rechte aus einem verbriefte Rückgaberecht in Anspruch, kann sich in einer gebotenen Einzelfallbetrachtung die Berufung auf die Rechtsfolgen des Widerrufs als rechtsmissbräuchlich darstellen.
2. Der Verbraucher setzt sich in einen unauflösbaren Widerspruch zur eigenen Widerrufserklärung, wenn er einerseits mit dem Widerruf die vertragliche Bindung an den Darlehensvertrag und das Verbundgeschäft negiert und er sich andererseits auf ein vertraglich eingeräumtes Rückgaberecht beruft, dessen Fortbestand voraussetzt, dass der Verbraucherdarlehensvertrag nicht wirksam widerrufen wurde.
3. Ein schutzwürdiges Interesse des Verbrauchers liegt nicht darin begründet, den Fahrzeugwert nicht durch den weiteren Gebrauch zum Nachteil der Bank aufzuzehren. Dem kann der Verbraucher durch seine gesetzlich verankerte Vorleistungspflicht genügen.
4. Mit der Ausübung des verbrieften Rückgaberechts greift der Verbraucher zum Nachteil der Bank in deren Rückabwicklungsregime ein. Wird der Verbraucher gemäß § 275 BGB von der Verpflichtung zur Herausgabe des Fahrzeugs frei, erstarkt das Leistungsverweigerungsrecht der Bank nicht zu einem dauerhaften. Vielmehr wird die Bank auf Surrogatansprüche verwiesen, bezüglich derer sie das Prozessrisiko trifft. Überdies wird der Bank die korrekte Berechnung des eingetretenen Wertverlustes erschwert oder unmöglich gemacht.
5. Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 9. September 2021 (Az.: C 33-20, C 155-20 und C 187-20) hindert die Annahme des Rechtsmissbrauchs nicht, weil sich Einwand nicht auf die Ausübung des Widerrufsrechts, sondern auf die anschließende Geltendmachung der Rechtsfolgen des Widerrufs bezieht.
Normenkette
BGB § § 242, 275 Abs. 1, 4, §§ 293, 295 S. 1 Alt. 1, § 295 S. 1 Alt. 2, §§ 303, 355, 357 Abs. 4 S. 1, § 358 Abs. 4 Sätze 1, 5, § 495 Abs. 1, § 812 Abs. 1 S. 1, § 818; ZPO § 522 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Braunschweig (Urteil vom 12.08.2021; Aktenzeichen 5 O 3433/19) |
Tenor
In dem Rechtsstreit
...
gegen
...
weist der Senat darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 12. August 2021 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
Gründe
I. Die gemäß § 511 ZPO statthafte und gemäß §§ 517, 520 ZPO zulässig eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Das landgerichtliche Urteil beruht im Ergebnis weder auf einem Rechtsfehler noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 7.164,32 Euro gemäß §§ 495 Abs. 1, 355, 358, 357 ff. BGB in der gemäß Art. 229 §§ 32 Abs. 1, 38 Abs. 1, 40 Abs. 1 EGBGB anzuwendenden, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültigen Fassung bzw. gem. §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 BGB.
Dahinstehen kann, ob der Kläger seine auf Abschluss eines Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen hat. Denn die Beklagte erhebt mit Erfolg den Einwand des Rechtsmissbrauchs. Der Kläger kann sich auf die Rechtsfolgen seines von ihm ggf. wirksam ausgeübten Widerrufsrechts nicht berufen, weil es sich insoweit nach den Umständen des hier vorliegenden Einzelfalls um eine unzulässige Rechtsausübung handelt (vgl. dazu bereits OLG Braunschweig, Urteil vom 8. Juli 2020 - 11 U 101/19 -, Rn. 146-159, juris).
Der Kläger hat den Darlehensvertrag mit Schreiben vom 11. Mai 2018 widerrufen.
Am 15. Juli 2019 hat er von seinem verbrieften Rückgaberecht Gebrauch gemacht, wonach er berechtigt war, nach einer vertragsgemäßen Zahlung der vorausgehenden Darlehensraten den Pkw zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Schlussrate der Autohaus K. KG (im Folgenden: die Verkäuferin) anzubieten, die sich wieder verpflichtet hat, das Fahrzeug zurückzukaufen und den zur Zahlung kommenden Rückkaufpreis an die Beklagte auf die bei der Beklagten bezogen auf den Kläger noch offenen Forderungen zu zahlen (vgl. Anlage B 13). Ausweislich der detaillierten Fahrzeugbeschreibung im Rückkaufangebot der Verkäuferin, dort unter "Bemerkung" war unter "Zahlungsbedingungen" vermerkt: "Ablöse Finanzierung" (vgl. Anlage K 5). Den vereinbarten Kaufpreis in Höhe von 1.493,81 Euro zahlte die Verkäuferin vereinbarungsgemäß an die Beklagte, die ihn zur Tilgung eines Teils der Darlehensraten verwendet hat.
Der Kläger hat sich damit nach außen hin so verhalten, als ob er trotz des von ihm erklärten Widerrufs an dem Kaufvertrag und dem mit ihm verbundenen Darlehensvertrag festhalten wolle. Er hat sich in einen unauflösbaren Selbstwiderspruch begeben, der sein Berufen auf die Rechtsfolgen ...