BGH zur Haftung von Audi für den Verkauf abgasmanipulierter Fahrzeuge
Der Kläger des viel beachteten Altverfahrens hatte einen Audi geleast, in den ein Motor mit der Motoren-Software zur Reduzierung der Stickoxidwerte auf dem Abgasprüfstand eingebaut war. Der BGH wies seine Klage zurück mit der Begründung, durch die Nutzungsmöglichkeit während der Leasingzeit habe der Kläger das vertraglich vorgesehene Äquivalent für die gezahlten Leasingraten erhalten.
In seinem jetzigen Urteil hat der BGH klargestellt, dass diese Grundsätze nicht gelten, wenn es sich bei dem zugrundeliegenden Geschäft um einen Kaufvertrag handelt, und zwar auch dann nicht, wenn der Kaufpreis vollständig über die zum Audi-Konzern gehörende Audi-Bank finanziert und dem Käufer ein darlehensvertraglich verbrieftes Rückgaberecht eingeräumt wurde.
Gekaufter Audi-Gebrauchtwagen war mit Abgasreduzierungs-Software ausgestattet
Der Käufer eines PKW Audi A6 Avant 3.0 TDI hatte die Audi-AG als Hersteller des gekauften Fahrzeuges auf Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung in Anspruch genommen. Der Kläger hatte das mit einem von der Audi-AG hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 897 versehene Fahrzeug im Februar 2017 als Gebrauchtwagen zu einem Preis von 46.800 EUR erworben. Der Motor war mit der von VW-Fahrzeugen bekannten Abgassoftware versehen, die die Prüfstandsituation zur Messung der Abgaswerte erkennt und dort den Stickoxidausstoß gegenüber dem Normalbetrieb deutlich reduziert.
Kaufpreis vollständig finanziert mit Rückgabeoption
Der Kläger hatte den Kaufpreis über die Audi-Bank finanzieren lassen. In dem Darlehensvertrag wurde ein Rückgaberecht des Käufers verbrieft. Mit Fälligkeit der Schlussrate hätte der Käufer das Fahrzeug zu einem festgelegten Kaufpreis an die Verkäuferin zurück übertragen können. Der Käufer hat von der Rückgabeoption keinen Gebrauch gemacht und das Fahrzeug behalten.
Fahrzeug mit Software-Update versehen
Das Fahrzeug war von dem verpflichtenden Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschaltvorrichtung im Jahr 2018 betroffen. Hierauf ließ der Kläger im Januar 2019 das vom Kraftfahrtbundesamt freigegebene Software-Update aufspielen.
Kläger fordert Erstattung der der Finanzierungsraten und Rücknahme des Fahrzeugs
Der Kläger forderte den Autohersteller Audi auf, ihm die geleisteten Finanzierungsraten unter Abzug einer angemessenen Nutzungsentschädigung zu erstatten, dies Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs. In den Vorinstanzen blieb der Klage der Erfolg versagt.
Revision des klagenden Käufers war erfolgreich
Die Revision des Klägers gegen die Berufungsentscheidung des OLG führte zur Aufhebung des OLG-Urteils und zur Zurückverweisung zur weiteren Sachaufklärung. Nach Auffassung des BGH ist dem Kläger infolge des Kaufs eines Dieselfahrzeuges mit einer unzulässigen Abschaltungseinrichtung eindeutig ein Schaden entstanden, denn nach allgemeiner Lebenserfahrung hätte der Kläger in Kenntnis dieser Sachlage das Fahrzeug nicht gekauft (BGH, Urteil v. 25.5.2020, VI ZR 252/19; BGH, Urteil v. 30.7.2020, VI ZR 397/19).
Schaden ist mit Kaufvertragsabschluss entstanden
Der Umstand, dass der Kläger das Darlehen vollständig abgelöst und das Fahrzeug bei Beendigung des Finanzierungsvertrages nicht zu dem festgesetzten Kaufpreis an die Verkäuferin zurückgegeben hat, ändert nach Auffassung des BGH an diesem Ergebnis nichts.
- Der Schaden des Klägers sei mit dem Kauf durch die Eingehung einer in dieser Form nicht beabsichtigten Verpflichtung unwiderruflich entstanden.
- Die Nichtausübung des Rückgaberechts beinhaltet keine Zustimmung zu dem ursprünglich in dieser Form nicht gewollten Vertragsabschluss.
- Die Übernahme des Fahrzeugs durch Zahlung der Schlussrate bedeutet keine Genehmigung der ursprünglichen Vertragsbedingungen.
- Die endgültige Übernahme des Fahrzeugs beruht nach Auffassung des BGH auf einer freien Entscheidung des Klägers unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, die keinerlei Rückwirkung auf den ursprünglichen Kaufvertrag hat.
Darlehensraten und Leasingraten rechtlich nicht vergleichbar
Der BGH ging in seiner Urteilsbegründung auch auf seine Entscheidung zur Berechnung des Nutzungsersatzes im Rahmen von Leasingverträgen ein (BGH, Urteil v. 16.9.2921, VII ZR 192/20). Während eine Leasingrate ein Äquivalent für die Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs in einem bestimmten Zeitraum darstelle, sei die rechtliche Wertung von Darlehensraten zur Finanzierung eines Kaufpreises eine völlig andere. Der fremdfinanzierte Kauf sei trotz der im konkreten Fall eingeräumten Rückgabeoption von vornherein auf Eigentumserwerb und nicht lediglich auf die Ermöglichung einer zeitlich begrenzten Fahrzeugnutzung gerichtet. Deshalb sei auch der Schadensbegriff hier ein völlig anderer.
Fahrzeugerwerb kann auch bei Leasingverträgen Vertragszweck sein
In seiner Leasing-Entscheidung vom 16.9.2021 hatte der BGH ausdrücklich offengelassen, ob der Fall anders zu beurteilen wäre, wenn bereits bei Abschluss des Leasingvertrages der spätere Kauf des Fahrzeugs durch den Leasingnehmer verabredet wird und damit der kaufrechtliche Aspekt des Leasinggeschäfts im Vordergrund steht. Eine entsprechende Abrede hatte der Leasingnehmer im dortigen Fall aber nicht behauptet, so dass der Senat diese Frage nicht entscheiden musste. Nach der jetzigen Entscheidung könnte dies auch bei Leasingverträgen zu einer von der September-Entscheidung abweichenden Beurteilung führen.
OLG muss weiter aufklären
Im Rahmen seiner Klageabweisung hatte das Berufungsgericht keinerlei Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB getroffen. Insoweit muss die Vorinstanz den Sachverhalt nun weiter aufklären und entsprechend den bereits mit Urteil vom 16.9.2021 gemachten Vorgaben des BGH insbesondere untersuchen, ob den verfassungsmäßigen Vertretern von Audi eine sittenwidrige Schädigung des Klägers entsprechend § 31 BGB zuzurechnen ist.
(BGH, Urteil v. 16.9.2021, VII ZR 389/21)
Hintergrund: Haftung von Audi sieht der BGH anders als die von VW
In einem früheren Urteil hat der BGH Zweifel an der Übertragbarkeit der von ihm aufgestellten Grundsätze zur Haftung von VW im sogenannten Dieselskandal auf das Konzernunternehmen Audi geäußert, da dieses die Voraussetzungen für eine Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nicht ohne weiteres erfülle.
Haftung nur bei persönlichem Wissen verfassungsmäßig berufener Vertreter
Voraussetzung für eine Haftung auch der Marke Audi wäre nach der Rechtsprechung des BGH, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter von Audi den Tatbestand der sittenwidrigen Schädigung „in persona“ verwirklicht hat. Eine Wissenszurechnung über die Grenzen der Konzerngesellschaften hinweg, sei nicht ohne weiteres möglich.
Der BGH begründet diese Rechtsansicht mit der Vorschrift des § 31 BGB. Unter entsprechender Anwendung dieser Zurechnungsnorm komme ein sittenwidriges Verhalten von Audi nur dann in Betracht, wenn die für den Hersteller Audi handelnden Personen die maßgeblichen Umstände der VW-Strategie kannten. Auch die Annahme einer sekundären Darlegungslast von Audi setze hinreichende Anhaltspunkte dafür voraus, dass führende Vertreter der Marke Audi frühzeitig von der Vorgehensweise von VW hinsichtlich des Einbaus der Skandal-Software gewusst haben.
Fazit: Deutlich erschwerte Darlegungslast für sämtliche Audi-Kläger
Mit dieser Rechtsprechung mutet der BGH sämtlichen Audi-Klägern im Ergebnis die Aufgabe zu, darzulegen, dass maßgebliche Vertreter von Audi entweder an der strategischen Entscheidung im VW-Konzern zur Verwendung der Schummel-Software beteiligt waren oder zumindest davon wussten. Da hierzu die Kenntnis interner Unternehmensvorgänge erforderlich ist, ist dies keine einfache Aufgabe (BGH, Urteil v. 8.3.2021, VI 505/19).
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