Leitsatz (amtlich)

1. Auch bei einer bilanziellen Unterkapitalisierung der Gesellschaft sind Geschäfte mit Gesellschaftern nicht per se verboten, wenn sie durch betriebliche Gründe gerechtfertigt sind, also in gleicher Weise auch und zu entsprechenden Konditionen mit einem Dritten abgeschlossen worden wären.

2. Die Vergütung der Tätigkeit eines Gesellschafter-Geschäftsführers muss angemessen sein, d.h. sie darf in keinem Missverhältnis zu der vergüteten Leistung und damit zu dem Entgelt stehen, das ein Fremdgeschäftsführer für die gleiche Tätigkeit erhalten hätte.

3. Den Gesellschaftern, die selbst am besten beurteilen können, was es ihnen und ihrem Unternehmen wert ist, einen bestimmten Geschäftsführer zu gewinnen, verbleibt ein der Überprüfung durch das Gericht entzogener Ermessensspielraum.

4. Aufgrund seiner Treuepflicht zur Gesellschaft kann der Gesellschafter-Geschäftsführer gehalten sein, selbst auf eine Herabsetzung seiner Bezüge hinzuwirken; dies aber allenfalls in eng zu fassenden Ausnahmefällen, wenn sich die Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse zur wirtschaftlichen Krise der Gesellschaft ausgeweitet hat.

5. Die Haftung des Geschäftsführers nach § 64 GmbHG setzt einen wirtschaftlichen Zusammenbruch der Gesellschaft voraus, der bei zwischenzeitlicher wirtschaftlicher Erholung der Gesellschaft von verlustreichen Jahren nicht angenommen werden kann.

 

Normenkette

GmbHG § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1, § 43 Abs. 2, § 64; BGB § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1

 

Verfahrensgang

LG Wuppertal (Urteil vom 10.12.2009; Aktenzeichen 12 O 58/08)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Wuppertal vom 10.12.2009 - 12 O 58/08 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von dem Erben der am 25.9.2009 verstorbenen ursprünglichen Beklagten (nachfolgend weiterhin als Beklagte bezeichnet) die Rückerstattung von für die Jahre 2003 bis 2007 an sie als Geschäftsführerin gezahlter Gewinntantiemen.

Im Jahr 1997 gründeten die B. GmbH und die Beklagte die Klägerin. Die Gründerinnen hatten zuvor jede für sich einen Pflegedienst betrieben. Unstreitig ist, dass der Pflegedienst der Beklagten zum Zeitpunkt der Gründung der Klägerin florierte, wohingegen sich derjenige der B. GmbH in existentiellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand. Durch Gründung der Klägerin wurden die Aktivitäten der beiden Pflegedienste zusammengelegt und u.a. die Durchführung ambulanter häuslicher Pflege zum Gegenstand des gemeinsamen Unternehmens gemacht. Das Stammkapital betrug 50.000,- DM und wurde von den Gesellschafterinnen je zur Hälfte übernommen.

Am 30.12.1997 schlossen die Klägerin und die Beklagte einen Geschäftsführeranstellungsvertrag, gemäß dem die Beklagte mit Wirkung ab dem 1.1.1998 die alleinige, nicht von den Beschränkungen des § 181 BGB befreite Geschäftsführerin wurde. Der Aufgabenbereich der Beklagten umfasste die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der Klägerin sowie die gesamte kaufmännische, technische und organisatorische Leitung des Unternehmens. Nach § 5 Abs. 1 des Geschäftsführeranstellungsvertrags sollte die Beklagte für ihre Tätigkeit neben einem monatlichen Gehalt von 15.000,- DM "eine Gewinntantieme i.H.v. 75 v.H. der in Abs. 2 genannten Bemessungsgrundlage, mindestens jedoch DM 60.000,-, wenn das Jahresergebnis dies zulässt", erhalten. In Bezug auf die Gewinntantieme enthält § 5 Geschäftsführeranstellungsvertrag sodann die folgenden streiterheblichen Regelungen:

"(2) Für die Berechnung der Tantieme ist der Jahresüberschuss, der sich vor Abzug der Tantieme für die Geschäftsführerin, der als Aufwand verbuchten Körperschaftssteuer sowie nach Verrechnung mit Verlustvorträgen ergibt, zugrunde zu legen. Gewinnabhängige Rückstellungen und Verbindlichkeiten (...) sowie steuerliche Sonderabschreibungen mindern die Bemessungsgrundlage nicht. (...) Die Gewinntantieme ist mit Feststellung des Jahresüberschusses fällig. Dies gilt auch, wenn ein wirksamer Feststellungsbeschluss nicht zustande kommt. Die Geschäftsführerin erhält auf die Gewinntantieme einen Abschlag i.H.v. 25 v.H. zum Ende eines jeden Quartals. Die Schlussrechnung erfolgt zum Fälligkeitstermin.

(...)

(5) Die Regelungen für das Festgehalt (...) und die Gewinntantieme (...) gelten für die ersten drei Jahre der Vertragsdauer als fest vereinbart. Nach Ablauf dieses Zeitraumes werden die Parteien unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen über eine Anpassung der Vergütung verhandeln. Bei Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kann auch eine Verminderung der Bezüge vereinbart werden."

Wegen des weiteren Inhalts des Geschäftsführeranstellungsvertra...

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