Leitsatz (amtlich)
1. Die von einem Steuerberater im Rahmen seines Mandats zu erteilenden Hinweise und Belehrungen haben sich zunächst an der jeweils aktuellen höchstrichterlichen (finanzgerichtlichen) Rspr. auszurichten. Besteht zu einer konkreten steuerrechtlichen Frage im Beratungszeitraum eine höchstrichterliche Rspr. (noch) nicht, kann von dem Steuerberater regelmäßig nicht erwartet werden, dass er die künftige Rspr. anhand bisher vorliegender Entscheidungen zu ähnlichen Fällen voraussieht und bei seiner Entscheidung bereits im Vorgriff berücksichtigt.
2. Fehlt eine höchstrichterliche Rspr., so ist ein Steuerberater auch verpflichtet, weitere Quellen für die Rechtsprüfung auszuschöpfen, wie vor allem die Rspr. der Untergerichte und das einschlägige Schrifttum. Darüber hinaus hat der Steuerberater auch eine feste Verwaltungsübung der zuständigen Finanzbehörden zu berücksichtigen. Die Intensität der gebotenen Prüfung der Rechtslage und der Beratung wird dabei durch die Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten mit bestimmt.
3. Fehlt zu einer steuerrechtlichen Einzelfrage jegliche auch untergerichtliche Rspr. und ergibt sich aus der vorliegenden steuerrechtlichen Lit. kein eindeutiger Meinungsstand, sondern ein uneinheitliches Bild, so begründet dies Zweifel an der künftigen voraussichtlichen Entscheidung der Finanzverwaltung und der finanzgerichtlichen Rspr. auch dann, wenn in dem maßgeblichen OFD-Bezirk zwar eine bestimmte Verwaltungsübung besteht, die Verwaltungspraxis in anderen Bezirken aber insgesamt uneinheitlich ist.
4. Über diese Zweifel sowie über Wege, steuerliche Nachteile sicher zu vermeiden, muss der Steuerberater den Mandanten aufklären. Das kann jedenfalls bei erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen der Beratung die Verpflichtung des Steuerberaters einschließen, den Mandanten auf die Möglichkeit einer verbindlichen Auskunft des Finanzamts hinzuweisen bzw. diese zu beantragen.
5. Die verbindliche Auskunft liegt im Ermessen der Finanzbehörde. Sie wird nach den näheren Maßgaben des Schreibens des BMF vom 24.6.1987 (BStBl. I, 474) erteilt. Für die Beurteilung der haftungsausfüllenden Kausalität ist die mutmaßliche Behördenentscheidung jedenfalls dann maßgeblich, wenn sie sich nicht als Fehlgebrauch des Ermessens darstellen würde oder – in den Fällen, in denen sich eine ständige Verwaltungspraxis herausgebildet hatte – die Gesetzwidrigkeit dieser Praxis weder offensichtlich war noch öffentlich diskutiert wurde und daher ihr Fortbestand nicht gewährleistet war.
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Urteil vom 10.02.2003; Aktenzeichen 3 O 261/02) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerinnen wird das am 10.2.2003 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Wuppertal unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerinnen 333.040,19 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 20.9.2001 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Gründe
A. Die Klägerinnen machen als Erbinnen des Herrn E.B. einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten als die steuerlichen Berater des Erblassers geltend. Betroffen ist eine Beratung des Erblassers durch die Beklagten zu der steuerrechtlichen Behandlung einer Veräußerung von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen. Der Erblasser war Kommanditist einer GmbH & Co. KG und veräußerte mit Vertrag vom 27.8.1996 (Bl. 115 ff. GA) eine Teilkommanditeinlage von 20 % an einen Mitarbeiter. Weiter wurde auch ein Anteil von 20 % an der Komplementär-GmbH übertragen. Die Klägerinnen werfen den Beklagten vor, durch eine unzureichende Beratung eine unnötig hohe Versteuerung des Veräußerungsgewinns bewirkt zu haben. Der auf die Hälfte ermäßigte Steuersatz gem. §§ 16, 34 EStG konnte nämlich deshalb nicht angewendet werden, weil der Mitunternehmeranteil des Erblassers auch Sonderbetriebsvermögen umfasste, das zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen zu rechnen war, das aber nicht mit einem entspr. Bruchteil mit veräußert wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 254 ff. GA) Bezug genommen.
Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, den Beklagten sei eine Pflichtverletzung nicht vorzuwerfen. Die Klägerinnen hätten darüber hinaus nicht ausreichend substantiiert zur Kausalität vorgetragen und den ihnen entstandenen Schaden nicht schlüssig dargelegt.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerinnen, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags i...