Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelung des § 48 BörsG in der seit 01.07.2002 geltenden Fassung (§ 49 BörsG a.F.) bedeutet trotz der Verweisung auf § 47 II 2 BörsG (§ 48 II BörsG a.F.) nicht, dass das betreffende Landgericht auch für Ansprüche aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung zuständig ist, die auf Sachverhalte außerhalb des Anwendungsbereichs der Prospekthaftung gestützt werden. Das Gleiche gilt für die Zuständigkeitsregelung in § 13 II VerkProspG.
2. Bei Ansprüchen aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung wegen falscher Prospektangaben gelten die haftungsbeschränkenden Regelungen der §§ 44, 45 BörsG (§§ 45, 46 BörsG a.F.) nicht.
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 14.02.2003; Aktenzeichen 3/7 O 51/02) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Gläubiger wird der Beschluss der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 01. November 2002 abgeändert.
Wegen einer gemeinschaftlichen Forderung der Gläubiger in Höhe von 10.108,00 EUR – beruhend auf einem Schadensersatzanspruch wegen des Kaufs von 125 Aktien der Schuldnerin zu 1. am 25.01.2000 – wird der dingliche Arrest in das Vermögen des Schuldners zu 2. angeordnet.
Durch Hinterlegung von 14.000,00 EUR wird die Vollziehung des Arrestes gehemmt.
Der Schuldner zu 2. ist berechtigt, die Aufhebung des vollzogenen Arrestes nach Hinterlegung des vorgenannten Betrages zu beantragen.
Im übrigen werden der Arrestantrag und die weitergehende Beschwerde zurückgewiesen.
Von den Verfahrenskosten beider Instanzen werden den Gläubigern 3/5 und dem Schuldner zu 2. 2/5 auferlegt.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 8.356,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I. Die Gläubiger begehren den Erlass eines dinglichen Arrestes wegen vermeintlicher Schadensersatzansprüche infolge falscher Angaben in einem „Verkaufsprospekt/Unternehmensbericht 1999", der anlässlich des Börsengangs der Schuldnerin zu 1. im November 1999 veröffentlicht wurde.
Die Schuldnerin zu 1. ist ein Unternehmen aus dem Bereich neuer Technologien. Ihre Aktien wurden früher im Börsensegment des Neuen Marktes gehandelt. Der Schuldner zu 2. war ihr Vorstand.
Die Gläubiger sind Privatanleger, die nach ihren Angaben zweimal Aktien der Schuldnerin zu 1. gekauft haben. Sie haben ihren am 23.10.2002 beim Landgericht eingereichten Arrestantrag in Höhe von 25.067,84 EUR nebst Zinsen damit begründet, dass die Angaben in dem kombinierten Verkaufsprospekt und Unternehmensbericht in erheblichem Umfang falsch gewesen seien. Die für das Geschäftsjahr 1998 behaupteten Umsätze seien größtenteils frei erfunden gewesen. Durch die falschen Angaben und die entsprechend positiv dargestellten Geschäftserwartungen sei eine überaus günstige Anlagestimmung hervorgerufen worden. Im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben hätten sie am 25.01.2000 125 Aktien der Schuldnerin zu 1. zu einem Kurs von 80,00 EUR gekauft. Einschließlich Provision und Maklergebühr hätten sie hierfür 10.108,00 EUR aufgewendet.
Durch eine Vielzahl von Ad-hoc-Meldungen nach § 15 WpHG sei auch in der Folgezeit bis in das Jahr 2002 und bis zum Ausscheiden des Schuldners zu 2. aus dem Unternehmen das äußerst positive Bild weitergepflegt worden. Aus diesem Grunde hätten sie sich Anfang März 2001 zu einem weiteren Kauf von 400 Aktien entschlossen. Hierfür hätten sie insgesamt 14.959,84 EUR gezahlt.
Erstmals aus einer Ad-hoc-Meldung vom 10.04.2002 sei hervorgegangen, dass die zuvor angegebenen Geschäftszahlen für das Jahr 2001 unrichtig gewesen seien und dass eine vom Aufsichtsrat beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nur 1,4 % der am 15.01.2002 veröffentlichten Umsätze von 93,6 Mio. EUR für 2001 bestätigt gefunden habe. Von ihren jetzigen Verfahrensbevollmächtigten hätten sie im August 2002 erfahren, dass auch schon die dem Verkaufsprospekt zugrundegelegten Zahlen für 1998 falsch gewesen seien. Nach dem Ergebnis der staatsanwaltlichen Ermittlungen habe der Schuldner zu 2. bei 15 Verkäufen von Aktien der Schuldnerin zu 1. in der Zeit vom 07.08.2000 – 19.06.2001 unter Ausnutzung seines Insiderwissens über die weitgehende Wertlosigkeit der Aktien insgesamt 26.848.478,30 EUR erlöst. Davon seien bisher nur ca. 11,4 Mio. EUR beschlagnahmt worden, die in verschiedenen Ländern aufgespürt worden seien. Die Existenz eines weiteren Betrages von 1,4 Mio. EUR bei einer Bank in Florida sei bekannt, aber bisher seien alle Versuche gescheitert, das Guthaben zu pfänden oder einzufrieren. Obwohl der Schuldner zu 2. im Strafverfahren ein Teilgeständnis abgelegt habe, sorge er nicht für die Rückführung dieses Betrages, was – neben weiteren Umständen – darauf schließen lasse, dass er nach wie vor versuche, sich so viele Vermögensvorteile wie möglich aus seinen kriminellen Handlungen zu sichern. Angesichts seiner jahrelangen Tätigkeit in herausragender Stellung bei der Schuldnerin zu 1. liege es auf der Hand, dass er nach wie vor auch Einfluss auf etwaige Mittäter habe, die alles versuchen würden, um auch Gelder des Unternehmens selbst unauffindbar zu machen, bevor ein...