Entscheidungsstichwort (Thema)

Neubeginn der Verjährung im Falle eines Anerkenntnisses, das den Anspruch in seinem Grund zum Gegenstand hat

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Anerkenntnis im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB im Hinblick auf den Grund des Anspruchs führt zum Neubeginn der Verjährung im Hinblick auf den gesamten Anspruch, auch wenn in der Höhe Einwendungen bestehen.

 

Normenkette

BGB § 212 Abs. 1 Nr. 1, §§ 254, 278

 

Verfahrensgang

LG Gießen (Entscheidung vom 21.10.2016; Aktenzeichen 4 O 146/15)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 24.01.2019; Aktenzeichen IX ZR 233/17)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 21. Oktober 2016 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Gießen wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsrechtszuges zu tragen.

Dieses Urteil und das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 21. Oktober 2016 sind vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Erfüllung eines Anwaltsvertrages.

Die Klägerin ist die Tochter der am ... 2010 verstorbenen Frau A (im Folgenden: Erblasserin). Die Verstorbene hatte durch notarielles Testament die Schwester der Klägerin als Alleinerbin eingesetzt. Die Klägerin hat ihrer Schwester in der vorliegenden Sache den Streit verkündet.

Durch Schreiben vom 22. August 2010, vom 13. September 2010 sowie vom 24. September 2010 forderte die Klägerin die (hiesige) Streitverkündungsempfängerin zur Auskunftserteilung hinsichtlich des Nachlassbestandes auf. Nachdem diese Bemühungen fruchtlos geblieben waren, suchte die Klägerin am 6. Oktober 2010 den Beklagten auf. Sie erteilte ihm Anwaltsvollmacht, wobei der genaue Gegenstand des zugrunde liegenden Auftrages zwischen den Parteien im Streit steht. Unstreitig ist jedenfalls, dass zwischen den Parteien Übereinstimmung bestand, im Bedarfsfalle gegen die hiesige Streitverkündungsempfängerin zur Kostenschonung zunächst allein Auskunftsklage, nicht aber Stufenklage zu erheben. Unstreitig ist auch, dass der Klägerin im Zeitpunkt der Mandatserteilung bereits bekannt war, dass ihr Pflichtteilsanspruch grundsätzlich mit Ablauf des 31. Dezember 2013 verjähren würde.

Der Beklagte führte im Weiteren namens und im Auftrage der Klägerin außergerichtliche Korrespondenz mit der Streitverkündungsempfängerin, wobei er den der Klägerin gebührenden Pflichtteilsanspruch dem Grunde nach geltend machte und Auskunft über den Nachlassbestand sowie über die lebzeitigen Zuwendungen der Erblasserin an Dritte begehrte.

Am 14. Oktober 2010 reichte der Beklagte namens und im Auftrage der Klägerin gegen die (hiesige) Streitverkündungsempfängerin eine Klageschrift bei dem Landgericht Frankfurt am Main ein, die dort unter dem Aktenzeichen ... eingetragen wurde. Gegenstand des Klageantrages war allein die Erteilung von Auskunft über die Aktiva und Passiva des Nachlasses der Erblasserin. In jenem Verfahren nahm die (hiesige) Streitverkündungsempfängerin, anwaltlich vertreten durch Herrn Rechtsanwalt RA1, u. a. mit den Anwaltsschriftsätzen vom 9. März 2011 sowie vom 16. Januar 2012 Stellung. Wegen der Einzelheiten dieser Anwaltsschriftsätze wird auf die als Anlagen B 6 (Bl. 39 ff. d. A.) und B 7 (Bl. 47 ff. d. A.) zu den Akten gereichten Kopien verwiesen. Jener Rechtsstreit (Aktenzeichen ...) endete durch klagestattgebendes Urteil vom 9. November 2012, das nicht mit der Berufung angegriffen wurde.

Nach Urteilsverkündung forderte der Beklagte die (hiesige) Streitverkündungsempfängerin fruchtlos zur Auskunftserteilung auf. Im Weiteren betrieb er die Durchsetzung des titulierten Auskunftsanspruchs nicht. Auf Nachfrage erklärte er der Klägerin, dass die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt noch nicht rechtskräftig sei, da es an einer Entscheidung über eine Streitwertbeschwerde fehle. Befragt nach verjährungsrechtlichen Konsequenzen, erklärte der Beklagte der Klägerin, dass aufgrund der eingereichten Klage die Verjährung gehemmt sei.

Spätestens im August 2014 nahm die Klägerin Kontakt zu Herrn Rechtsanwalt RA2 - dem jetzigen Streithelfer der Klägerin - auf, schilderte den vorstehenden Sachverhalt und erhielt die Auskunft, dass ihr Pflichtteilszahlungsanspruch aller Voraussicht nach verjährt sei, da die von dem Beklagten eingereichte Auskunftsklage die Verjährung des Zahlungsanspruches nicht hemme und bis zum 31. Dezember 2013 offenbar auch keine Maßnahmen ergriffen worden seien, die eine solche Hemmungswirkung herbeigeführt hätten. Der Beklagte wurde mit dieser Rechtsauffassung konfrontiert und erklärte hierzu, dass er irrtümlich davon ausgegangen sei, auch eine bloße Auskunftsklage führe eine Hemmung der Verjährung des Zahlungsanspruches herbei.

Daraufhin entzog die Kl...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?