Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückgewähranspruch des Insolvenzverwalters gegen Anlagevermittler
Leitsatz (amtlich)
Einem Insolvenzverwalter steht gegen einen Anlagevermittler der auf eine Anfechtung unentgeltlicher Leistungen gestützte Rückgewährungsanspruch (§§ 134 Abs. 1, 143 InsO) hinsichtlich des Teils von Folgeprovisionen zu, die die Anlagegesellschaft und spätere Insolvenzschuldnerin auf der Grundlage von im sog. „Schneeballsystem” erzielten Scheingewinnen berechnet hat.
Normenkette
InsO § 134 Abs. 1, § 143 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 22.07.2009; Aktenzeichen 2/2 O 430/08) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 22.07.2009 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (Az. 2/2 O 430/08) wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Verurteilung dem Grunde nach richtet.
Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Mit Beschluss vom 01.07.2005 (Anlage K1/Bl. 17 d. Anlagenbandes) bestellte das Amtsgericht Frankfurt am Main – Insolvenzgericht – den Kläger zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der A GmbH Gesellschaft für … (im Folgenden: Schuldnerin). Das Insolvenzverfahren geht zurück auf einen Antrag der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 11.03.2005 (Anl. K2/Bl. 20 ff. d. Anlagenbandes), eingegangen beim Insolvenzgericht am selben Tag. In seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter macht der Kläger gegen den Beklagten einen Rückgewähranspruch gemäß §§ 143 Abs. 1, 134 InsO wegen Folgeprovisionen, die die Schuldnerin an den Beklagten auf der Grundlage von Scheingewinnen bezahlte, geltend. Im Einzelnen:
Die Schuldnerin war seit 1977 als Finanzdienstleisterin tätig. Ab 1992 legte sie ein Produkt auf, das sie als „X”, kurz X, bezeichnete. Hierbei bot sie den Kunden an, durch die Teilnahme an dem sogenannten Managed Account am Erfolg bzw. Misserfolg von Optionshandelsgeschäften teilzunehmen. Dabei wurden die einzelnen Geschäftsvorfälle – Handel mit Optionen und Futures – nicht in Einzelauftrag durch A durchgeführt, sondern im eigenen Namen auf Rechnung der Anlegergemeinschaft. Es handelte sich mithin um eine Kollektivanlage, bei der sich der Finanzpool aus den Einzahlungen der Anleger zusammensetzte. Die Schuldnerin verteilte die jeweiligen Erfolge/Misserfolge einer Handelsperiode (Monate), also die monatliche Wertveränderung des Optionsportfolios, anteilig auf die Anleger, welche hierüber durch Zusendung einer Art ‚Kontoauszug‘ informiert wurden.
Die Schuldnerin bewarb das X in ihren Prospekten mit einer Rendite von 8,7 % bis 14,07 % p.a.. Tatsächlich erzielte sie mit dem X spätestens seit 1993/94 hohe Verluste. Um diese Verluste, die sie nur für vorübergehend erachteten, nicht ausweisen zu müssen, kamen der frühere Geschäftsführer der Schuldnerin, B, sowie der A-Gründer, C, etwa Mitte des Jahres 1993 auf die Idee, die von A eingegangenen Verpflichtungen aus dem laufenden Optionsgeschäft zu schönen und auf dem Papier gegenüber dem Vertrieb und den Anlegern einen kontinuierlichen Wertzuwachs auszuweisen.
Ein positives Ergebnis des X wurde den Anlegern durch Hinzuziehung der Ergebnisse auf einem nicht existenten Konto …, welches angeblich beim Brokerhaus D geführt wurde, vorgespielt. Bis etwa zum Jahr 1997 betrug der im X aufgelaufene Fehlbetrag rund 50 Mio. US-Dollar. Der weit überwiegende Teil der eingenommenen Anlegergelder wurde ab 1997 tatsächlich nicht mehr für Börsengeschäfte eingesetzt. Von den Anlegergeldern wurden vielmehr ab diesem Zeitpunkt im Wege eines „Schneeballsystems” sämtliche Zahlungen an die Altanleger sowie die Zahlungen für die laufenden Geschäfts- und Betriebskosten der A und deren Vertriebspartner bestritten. Mit den wenigen tatsächlich durchgeführten Geschäften erlitt die Insolvenzschuldnerin Verluste.
Bei den auf den monatlichen Abrechnungen aufgeführten Gewinnzuweisungen handelte es sich damit um sogenannte Scheingewinne.
Der Beklagte (bezeichnet auch als Vertreter bzw. Vermittler) schloss am 25.01.1999 mit der Schuldnerin als Auftraggeberin einen Vertriebsvertrag. Aus § 6 Zff. 6.1. des Vertriebsvertrages ergab sich, dass der Vertreter für jeden Neuabschluss mit einem Kunden zunächst Anspruch auf eine sogenannte Abschlussprovision hatte. Für jeden Monat, den der Anleger das Geld bei A stehen ließ, sollte der Vermittler eine weitere Provision (sogenannte Folgeprovision) erhalten, deren Höhe abhängig war vom Bestand des jeweiligen Anlegerkontos. In § 6 Ziff. 6.2. heißt es hierzu:
„Als Folgeprovision erhält der Vertreter für jede Abrechnungsperiode (Handelsmonat) 0,4 % des arithmetischen Mittelwertes der Einlage der von ihm betreuten Kunden zu Beginn der Abrechnungsperiode und der Einlage zu Beginn der folgenden Abrechnungsperiode.”
Wegen weiterer Einzelheiten zum Vertriebsvertrag wird auf dessen Inhalt (Anlage K11/Bl. 157 ff. d. Anlagenbandes) Bezug genommen.
Der Beklagte nahm die Abrechnung seiner Folgeprovisionen auf der Grundlage der den Kunden auf ihren Anlegerkonten ...