Entscheidungsstichwort (Thema)

Recht des Vertreters auf Zutritt zur Gesellschafterversammlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird dem legitimierten Vertreter eines Gesellschafters der Zutritt zu den Räumen, in denen die Gesellschafterversammlung stattfinden soll, vom Inhaber des Hausrechts verweigert, so muss von der Durchführung der Versammlung in diesen Räumen abgesehen werden.

2. Der Gesellschafter kann neben seinem Vertreter den Zutritt zum Versammlungsraum bis zur Klärung der Frage verlangen, ob der von ihm entsandte Vertreter zur Versammlung zugelassen wird.

 

Normenkette

GmbHG § 48

 

Verfahrensgang

LG Siegen (Urteil vom 14.06.2002; Aktenzeichen 7 O 9/00)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 14.6.2002 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des LG Siegen wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

(abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO):

I. Die Kläger sind Gesellschafter der Beklagten. Weitere Gesellschafter sind der Geschäftsführer der Beklagten sowie dessen minderjähriger Sohn. Am Stammkapital halten die Klägerin zu 1) einen Geschäftsanteil von 20 %, der Geschäftsführer der Beklagten 40 % und dessen Sohn 20 %. Die übrigen 20 % stehen der ungeteilten Erbengemeinschaft, bestehend aus den Klägern und dem Geschäftsführer der Beklagten, zu.

Nach den Regelungen des Gesellschaftsvertrages kann sich jeder Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Bevollmächtigten vertreten lassen. Die Gesellschafterbeschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung können binnen 4 Wochen durch Klage angefochten werden.

Der Geschäftsführer der Beklagten lud die Gesellschafter form- und fristgerecht zu einer Gesellschafterversammlung am Samstag, den 11.12.1999, in die Geschäftsräumen der Beklagten ein. Zu dieser Gesellschafterversammlung erschienen – neben dem Geschäftsführer der Beklagten und dem von diesem eingeladenen Steuerberater der Beklagten – die Klägerin zu 1) in Begleitung ihres Steuerberaters sowie Rechtsanwalt R. mit schriftlicher Vollmacht des Klägers zu 2). Der Geschäftsführer der Beklagten verweigerte dem Steuerberater der Klägerin zu 1) unter Hinweis auf sein Hausrecht den Zutritt zu den Geschäftsräumen der Beklagten, weil es mehrere Jahre vorher zwischen ihnen zu Meinungsverschiedenheiten gekommen war. Dies führte zu einer Auseinandersetzung im Eingangsbereich des Gebäudes, deren Einzelheiten zwischen den Parteien str. sind. Die Klägerin zu 1) erteilte ihrem Steuerberater alsdann schriftliche Vollmacht zur Teilnahme an der Gesellschafterversammlung, die Rechtsanwalt R. dem Geschäftsführer der Beklagten übergab. Dieser berief sich wie zuvor auf sein Hausrecht und lehnte die Teilnahme des Steuerberaters der Klägerin zu 1) an der Gesellschafterversammlung ab. Daraufhin entfernten sich die Klägerin zu 1), ihr Steuerberater und Rechtsanwalt R.

Die Gesellschafterversammlung fand anschließend in Anwesenheit des Geschäftsführers der Beklagten und deren Steuerberaters dennoch statt. Die darin vom Geschäftsführer mit 60 % der Stimmen gefassten Beschlüsse, u.a. Feststellung der Jahresabschlüsse 1997 und 1998 sowie Beschlussfassung über die Vergütung der angezeigten Arbeitnehmer-Erfindungen des Geschäftsführers, sind mit der vorliegenden Klage angefochten worden.

Die Kläger haben eine Verletzung ihres Teilnahmerechts gerügt und behauptet, die Klägerin zu 1) habe nicht neben ihrem Steuerberater an der Gesellschafterversammlung teilnehmen wollen. Sie haben des Weiteren die Ansicht vertreten, der Verfahrensverstoß sei relevant, weil durch ihn das Informations- und Partizipationsinteresse der Kläger berührt worden sei.

Die Beklagte hat geltend gemacht, ein Bevollmächtigter brauche zu einer Gesellschafterversammlung nicht zugelassen zu werden, wenn der Vertretene selbst die Teilnahme beanspruche. Hierzu hat sie behauptet, die Klägerin habe selbst die Teilnahme beabsichtigt. Im Übrigen sei der Ausschluss des Steuerberaters der Klägerin zu 1) wegen beleidigender Äußerungen zu Recht erfolgt. Der Umstand, dass die Klägerin zu 1) bzw. ihr Vertreter an der Gesellschafterversammlung nicht teilgenommen habe, sei für die Beschlussfassung nicht kausal gewesen, weil der Geschäftsführer der Beklagten 60 % der Stimmen vertreten habe.

Das LG hat die Beschlüsse für unwirksam erklärt. Es hat beide Kläger für anfechtungsbefugt gehalten und eine Verletzung des Teilnahmerechts infolge des Ausschlusses des bevollmächtigten Steuerberaters bejaht. Die Frage, ob die Klägerin ein eigenes Teilnahmerecht trotz Bevollmächtigung ihres Steuerberaters beansprucht habe, hat das LG mit der Begründung offen gelassen, dass die Entscheidung über das Teilnahmerecht allein in der Hand der Gesellschafterversammlung liege, der Geschäftsführer der Beklagten eine Beschlussfassung über die Teilnahmerechte aber verhindert habe. Im Übrigen beruhten die gefassten ...

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