Entscheidungsstichwort (Thema)

Verletzung der Insolvenzantragspflicht. Umfang des Schadensersatzes wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei dem Vorwurf der Verletzung der Insolvenzantragspflicht müssen sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand einer Pflichtverletzung zeitlich zusammenfallen. Das gilt auch bei einem Dauerdelikt der Insolvenzantragsverschleppung.

2. Eine Neugläubigerin, die ihre Forderungen gegen die Insolvenzschuldnerin nach Eintritt der Insolvenzantragspflicht erworben hat, ist nicht auf die Geltendmachung eines Quotenschadens beschränkt.

3. Beim Neugläubigerschaden bestimmt sich der Schaden nicht nach einem willkürlich herausgegriffenen Spitzenbetrag, sondern nach einem zu schätzenden Durchschnittsbetrag des durch die Verletzung der Insolvenzantragspflicht entstandenen Schadens, der dann vom Endsaldo zum Tag der Insolvenzantragstellung abzuziehen ist.

 

Normenkette

GmbHG § 64 Abs. 1, § 84 Abs. 1 Nr. 2; BGB § 823 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 20.01.2005; Aktenzeichen 3 O 15/04)

OLG München (Entscheidung vom 08.07.1994; Aktenzeichen 3 Ws 87/94)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 20.01.2005 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

  1. Unter teilweiser Aufhebung des Versäumnisurteils der 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 23.09.2004 wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 68.720,93 ? nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.01.2004 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung der Forderungen aus dem Kontokorrentverhältnis Nr. 71722, die im Insolvenzverfahren über die Gesellschaft A. GmbH zur Insolvenztabelle angemeldet worden sind. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  2. Von den Kosten beider Rechtszüge, einschließlich des Revisionsverfahrens tragen die Klägerin 7/10, der Beklagte 3/10, mit Ausnahme der Kosten, die der Klägerin in erster Instanz infolge ihrer Säumnis entstanden sind. Diese trägt sie selbst.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
 

Tatbestand

I. Die Klägerin war seit etwa 1980 die Hausbank der Mitte 2003 in Insolvenz geratenen A. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) mit einem Stammkapital von 50.000,00 DM. Der Beklagte war ihr Geschäftsführer; er und seine Ehefrau waren deren Alleingesellschafter. Der – erst im Oktober 2001 erstellte – Jahresabschluss der Schuldnerin per 31. Dezember 1996 wies einen durch Eigenkapital nicht gedeckten Fehlbetrag in Höhe von ca. 485.000,00 DM aus, wobei Gesellschafterdarlehen von ca. 963.000,00 DM passiviert waren. Die Kreditverbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber der Klägerin beliefen sich per 31. Dezember 1996 auf ca. 136.000,00 DM. Mit Vertrag vom 22. Oktober 1997 erhöhte die Klägerin den der Schuldnerin eingeräumten Kontokorrentkredit um weitere 300.000,00 DM. Der Beklagte übernahm dafür eine Bürgschaft in entsprechender Höhe. Ende 1997 wies das Kontokorrentkonto der Schuldnerin ein Haben von ca. 156.000,00 DM auf und wurde auch in den Folgejahren, insbesondere im Verlauf des Jahres 2001 immer wieder im Haben geführt. In der Zeit danach erhöhte sich das von der Schuldnerin in Anspruch genommene Kreditvolumen bis zum 30. September 2003 auf 371.656,04 ? einschließlich Zinsen. In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin ist mit einer Befriedigungsquote von 1 % zu rechnen.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von dem Beklagten Schadensersatz aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG mit der Begründung, dass er bereits Anfang 1997 angesichts der damaligen Überschuldung der GmbH hätte Konkursantrag stellen müssen; hätte er dies getan, hätte sie der Schuldnerin keine weiteren Kredite bis zu dem Betrag von 371.656,04 ? gewährt. Abzüglich des von dem Beklagten als Bürge geschuldeten Betrages von 153.387,56 ? (= 300.000,00 DM) verbleibe ein Schaden von 218.268,48 ?. Hilfsweise werde ein Schaden von 162.410,29 ? geltend gemacht, der sich unter Zugrundelegung der durchschnittlichen Refinanzierungskosten anstelle der vereinbarten Zinsen für das an die Schuldnerin ausgereichte Darlehenskapital errechne.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts hat der Klägerin – unter Anrechnung eines hälftigen Mitverschuldens – in Höhe von 109.134,24 ? entsprochen. Auf die Revision des Beklagten ist das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 28.07.2005 aufgehoben worden, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist. In diesem Umfange ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens an den hiesigen Zivilsenat zurückverwiesen worden.

Die Klägerin trägt vor,

auch unter Berücksichtigung des Urteil...

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