Leitsatz (amtlich)

1. LS Voraussetzung für das Bestehen von Auskunfts- und Wertermittlungsansprüchen ist nicht das Bestehen eines Pflichtteilsanspruchs, sondern nur eines Pflichtteilsrechts; eine Auskunfts- und Wertermittlungspflicht ist jedoch dann zu verneinen, wenn der Pflichtteilsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt besteht.

2. Der Auskunftsanspruch eines Pflichtteilsberechtigten bezieht sich inhaltlich auch auf die Tatsachen und Umstände, die Zuwendungen als Ausstattung bzw. Schenkung qualifizieren.

3. Die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, die eine Ausgleichungspflicht nach § 2050 Abs. 1 BGB wegen Vorliegens einer Ausstattung begründen, trifft denjenigen, der daraus Rechte herleitet, also die Anrechnung einer Zuwendung auf den Erbteil verlangt oder einen Ausgleich im Rahmen der Pflichtteilsberechnung geltend macht; er kann sich dabei nicht auf einen Anscheinsbeweis oder sonstige Beweiserleichterungen berufen, da die zeitlich unbegrenzte Ausgleichung die Ausnahme und nicht die Regel ist.

4. Gegen den Ausstattungscharakter i.S.d. § 2050 Abs. 1 BGB der lebzeitigen Übertragung eines Mietshauses durch den späteren Erblasser auf eines seiner Kinder kann sprechen, dass er zuvor auch seinem anderen Kind erheblichen Grundbesitz übertragen hat.

5. Ist der Zuwendungsempfänger im Zeitpunkt der Übertragung des Mietshauses bereits 38 Jahre alt, seit 10 Jahren verheiratet, hat er 4 Kinder und eine eigene Firma, von deren Einkünften er gut leben kann (jährlicher Gewinn von mehr als 50.000 DM zu Beginn der 90er-Jahre), und verfügt zudem der Ehepartner über eigene, nicht unerhebliche Einkünfte, die ebenfalls geeignet sind, die Sicherstellung des Familienunterhalts zu garantieren, kann ein Ausstattungscharakter nicht angenommen werden, selbst wenn der Erhalt der Immobilie gegebenenfalls geeignet ist, den Zuwendungsempfänger und seine Familie auf ein höheres wirtschaftliches Lebensniveau zu heben.

 

Verfahrensgang

LG Trier (Aktenzeichen 11 O 204/20)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 21.03.2022 verkündete Teilurteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des Landgerichts Trier, Az.: 11 O 204/20, aufgehoben.

Die auf der ersten Stufe erhobene Klage auf Auskunftserteilung über die wertbildenden Faktoren der im Grundbuch von ...[Z], Bl. ... sowie Bl. ..., ...[A], ...[Z], eingetragenen Grundstücke im Zeitpunkt des Vollzugs der Zuwendungen, insbesondere über das Baujahr der aufstehenden Gebäude, die Miet- und Nutzflächen des Gebäudes, getrennt nach den Miet- und Nutzflächen der einzelnen Geschosse und der erzielten Mieterträge wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerinnen als Gesamtschuldner zu tragen. Im Übrigen, hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits erster Instanz, bleibt die Entscheidung dem Schlussurteil vorbehalten.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägerinnen bleibt vorbehalten, die Zwangsvollstreckung des Beklagten hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % dieses Betrages leistet.

 

Gründe

Die Parteien streiten über erbrechtliche Ansprüche betreffend den Nachlass der am 22.11.2016 verstorbenen ...[B] (im Folgenden Erblasserin). Der Beklagte ist der Sohn der Erblasserin, die Klägerinnen sind deren Enkelinnen und Abkömmlinge der vorverstorbenen ...[C], Tochter der Erblasserin und Schwester des Beklagten. Gemäß dem notariellen Testament der Erblasserin vom 24.05.1994 ist der Beklagte Alleinerbe seiner Mutter geworden. Mit der Behauptung, das dem Beklagten mit notariellem Vertrag vom 04.11.1993 schenkweise übertragene Hausgrundstück ...[A] in ...[Z] sei ihm als "Ausstattung" i. S. d. § 1624 Abs. 1 BGB zugewendet worden, machen die Klägerinnen vorliegend im Wege der Stufenklage nach ihrer Auffassung bestehende Pflichtteils(-ausgleichs-)ansprüche geltend und verlangen auf der ersten Stufe in dem im Urteilstenor näher beschriebenen Umfang Auskunft über die "wertbildenden Faktoren" betreffend das von der Erblasserin zu Lebzeiten an den Beklagten verschenkte Hausgrundstück ...[A].

Die Klägerinnen haben zunächst mit ihrem Klageantrag zu 1. in Form einer "Zwischenfeststellungsklage" um den Feststellungsausspruch angetragen, dass bei der Berechnung der Ausgleichspflichtteile (im Hinblick auf die von ihrer Mutter ...[C] erhaltenen Vorempfänge) auch die vorgenannte, im Klageantrag näher beschriebene Immobilie zu berücksichtigen sei.

Diesem Klagebegehren (Antrag zu 1.) ist das Landgericht gefolgt und hat durch am 01.03.2021 verkündetes Teilurteil, Az.: 11 O 204/20, antragsgemäß die Feststellung ausgesprochen, "dass bei der Berechnung der Ausgleichspflichtteile der Klägerinnen gegenüber dem Beklagten die dem Beklagten mit notarieller Urkunde Notar ...[D] vom 04.11.1993, Urkundennummer ... geschenkten Grundstücke Grundbuch von ...[Z], Blatt ... sowie Grundbuch von ...[Z], Blatt ..., ...[A], zu be...

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