Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweislast und Beweiserleichterungen bei Zerbersten eines Porzellanhüftkopfes im Körper
Leitsatz (amtlich)
1. Für die vom Kläger zu beweisende Behauptung, der Bruch eines implantierten Porzellanhüftkopfes beruhe auf einem Fabrikationsfehler, kommen dem Kläger Beweiserleichterungen unter dem Gesichtspunkt der Beweisvereitelung weder deshalb zugute, weil nicht mehr alle Bestandteile des Hüftkopfes geborgen und sachverständig untersucht werden können, noch deshalb, weil die Bestandteile sich aufgrund einer durchgeführten Heißdampfsterilisation chemisch verändert haben.
2. Für die vom Kläger zu beweisende Behauptung eines Behandlungsfehlers kommen dem Kläger keine Beweiserleichterungen unter dem Gesichtspunkt des voll beherrschbaren Risikobereichs zugute, wenn wegen möglicher Materialfehler oder nicht sicher vermeidbarer kleiner Verunreinigungen nicht feststeht, dass die Schadensursache aus dem voll beherrschbaren Risikobereich stammt.
3. Ob ein Porzellanhüftkopf (mit etwas höherer Bruchgefahr aber geringerem Rezidivrisiko) oder ein Metallhüftkopf (mit etwas geringerer Bruchgefahr und etwas höherem Rezidivrisiko) verwendet wird, obliegt der intraoperativ zu treffenden Entscheidung des Behandlers. Es handelt sich nicht um eine aufklärungspflichtige und mit dem Patienten zu diskutierende echte Behandlungsalternative.
Normenkette
ProdHaftG § 1; BGB § 823; ZPO § 286
Verfahrensgang
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 20.4.2011 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des LG Köln - 25 O 312/06 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin der Beklagten zu 3) werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagten oder die Streithelferin der Beklagten zu 3) vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der am xx. xx. 1935 geborene, stark übergewichtige Kläger litt unter Schmerzen im rechten Hüftgelenk, die sich im Jahre 2001 verschlimmerten. Eine konservative Behandlung brachte keine Besserung. Am 21.2.2002 suchte der Kläger erstmals das Krankenhaus der Beklagten zu 1) auf, wo der Beklagte zu 2) die Diagnose einer Cox-Arthrose stellte. Am 18.3.2002 erklärte sich der Käger auf einem perimed-Aufklärungsbogen mit dem Ersatz des rechten Hüftgelenks durch eine Totalendoprothese einverstanden. Am 19.3.2002 implantierte der Beklagte zu 2) eine Titanpfanne und einen zementfreien Schaft, auf den mittels eines Adapters ein Keramikkopf gesetzt wurde, den die Beklagten zu 3) geliefert hatte und der von deren Streithelferin, einem in der Schweiz ansässigen Unternehmen, hergestellt worden war. Bei Nachuntersuchungen am 6.5.2002 und 22.8.2002 gab der Kläger an, dass es ihm ausgezeichnet gehe. Im November 2003 vernahm er nach seiner Darstellung beim Aufstehen aus dem Bett ein knirschendes Geräusch. Am 8.12.2003 stellte er sich wegen starker Schmerzen im Krankenhaus der Beklagten zu 1) vor. Die Röntgenuntersuchung ergab, dass der Hüftkopf zerborsten und zersplittert war. Am 11.12.2003 räumte der Beklagte zu 2) die Keramikpartikel aus und setzte statt des Keramikkopfs einen Metallkopf ein. Die Beklagte zu 1) sandte Bruchteile des Keramikopfs an die Beklagte zu 3), die solche an die Streithelferin weiterleitete. Die Beklagte zu 1), die Beklagte zu 3) und die Streithelferin führten jeweils eine Heißdampfsterilisation durch. Die anschließende Untersuchung ergab keinen Materialdefekt.
Der Kläger hat geltend gemacht, dass der Keramikkopf einen Produktfehler aufgewiesen habe. Insbesondere habe dieser infolge des zu verwendenden Adapters eine geringe Wanddicke mit erhöhtem Bruchrisiko gehabt. Der Beklagte zu 2) habe die Hüftprothese falsch ausgewählt. Bei übergroßer Halslänge sei der Einsatz eines metallischen Prothesenkopfes erforderlich gewesen. Über das Bruchrisiko und die hinsichtlich des Materials möglichen Alternativen sei er, der Kläger, nicht aufgeklärt worden. Den in der Zeit vom 1.12.2003 bis 31.8.2006 entstandenen Haushaltsführungsschaden hat der Kläger auf 13.440 EUR und seine sonstigen Schäden auf 2.000 EUR beziffert.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 60.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.6.2004,
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 15.440 EUR zu zahlen nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.520 EUR seit dem 1.6.2004 und aus weiteren 12.950 EUR seit Rechtshängigkeit,
3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm sämtliche künftigen...