Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung eines zuständigen Gerichts
Leitsatz (amtlich)
Für auf §§ 116, 93 Abs. 2 AktG gestützte Ansprüche wegen Pflichtverletzung durch Mitglieder des Vorstands oder Aufsichtsrats ist der Gerichtsstand des Erfüllungsorts am Sitz der Gesellschaft begründet.
Normenkette
ZPO § 29 Abs. 1, § 36 Abs. 1 Nr. 3; AktG § 93 Abs. 2, § 116 S. 1
Tenor
Die Bestimmung eines zuständigen Gerichts wird abgelehnt.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt als Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Aktiengesellschaft von den drei Antragsgegnern als Gesamtschuldner Schadensersatz. Zur Begründung trägt er vor, die drei Antragsgegner seien Aufsichtsratsmitglieder der Gesellschaft gewesen, über deren Vermögen am 1.2.2012 das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Gegen diese bestünden Ansprüche aus § 116 Satz 1, § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG auf Ersatz von Zahlungen, welche die Gesellschaft nach dem Eintritt der Überschuldung - Anfang 2011 - geleistet hätte.
Der Antragsteller erwirkte gegen die drei Antragsgegner Mahnbescheide. Nach Widerspruch wurde das Verfahren gegen den Antragsgegner zu 1 an das im Mahnbescheid als Prozessgericht bezeichnete LG München I (Az ...) und das Verfahren gegen den Antragsgegner zu 3 an das als Prozessgericht bezeichnete LG München II (Az ...) abgegeben. In den jeweiligen LGbezirken sind die Antragsgegner zu 1 und 3 auch ansässig.
In den Akten des LG München II befindet sich ferner die Abgabeverfügung des Mahngerichts an das LG München I vom 23.9.2016, welche den Widerspruch des im Bezirk des LG München I wohnhaften Antragsgegners zu 2 betrifft.
Der Antragsteller hat vor Antrags- und Klagezustellung für die Entscheidung über die beantragte Prozesskostenhilfe - sowie die sich daran anschließende Klage - um Bestimmung des zuständigen Gerichts nachgesucht und angeregt, das LG München I als zuständig zu bestimmen. Die Antragsgegner hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
II. Die Voraussetzungen für die Bestimmung eines zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen nicht vor. Eine Bestimmung nach dieser Vorschrift kann grundsätzlich nicht erfolgen, wenn ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand besteht oder bestanden hat (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 31. Aufl. § 36 Rn. 15). Dies ist hier der Fall.
Es besteht ein gemeinsamer Gerichtsstand des Erfüllungsorts (§ 29 Abs. 1 ZPO).
Der Antragsteller macht gegen die Antragsgegner als Gesamtschuldner Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzungen (§ 93 Abs. 2 und 3 Ziff. 6 AktG, § 116 Satz 1 AktG) als Organe einer Aktiengesellschaft geltend. Diese Pflichten sind, ebenso wie sich die aus ihrer Verletzung ergebenden Schadensersatzansprüche, am Sitz der Gesellschaft zu erfüllen (vgl. BGH NJW-RR 1992, 800/801; Zöller/Vollkommer § 29 Rn. 6 a.E.; MüKo/Habersack AktG 4. Aufl. § 116 Rn. 72 m.w.N.; ebenso Senat vom 17.12.2012, 34 AR 337/12). Damit steht für sämtliche Streitgenossen ein einheitlicher Gerichtsstand zur Verfügung. Unter diesen Umständen scheidet eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO aus.
Die Frage, ob der Verfahrensstand noch eine Bestimmung zulässt (dazu BGH NJW-RR 2013, 1531 Rn. 8), braucht bei dieser Sachlage ebenso wenig geklärt zu werden wie diejenige, ob der Antragsteller durch abweichende Bestimmung unterschiedlicher Prozessgerichte in den Mahnbescheidsanträgen trotz eines gemeinsamen besonderen Gerichtsstands bereits bindend von seinem Wahlrecht nach § 35 ZPO Gebrauch gemacht hat (vgl. BGH NJW-RR 2013, 1531 Rn. 7) 9
Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass auch eine Bestimmung der funktionellen Zuständigkeit ausgeschlossen ist, da sich diese hier für sämtliche Antragsgegner einheitlich bestimmt.
Fundstellen
Haufe-Index 10160045 |
DStR 2017, 12 |
NZG 2017, 235 |
ZIP 2017, 696 |
AG 2017, 407 |
JZ 2017, 448 |
NZI 2017, 392 |
GWR 2017, 119 |