Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungsvereinbarung: 3,2-Faches der gesetzlichen Gebühren
Normenkette
RVG § 3 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Memmingen (Urteil vom 01.09.2010; Aktenzeichen 35 O 1293/09) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Memmingen vom 1.9.2010 - 35 O 1293/09, aufgehoben.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.273,75 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszins aus 4.626,68 EUR seit 9.6.2008 sowie aus 1.097,07 EUR seit 12.6.2008 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weiter gehende Berufung zurückgewiesen.
4. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
6. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Sittenwidrigkeit anwaltlicher Honorarvereinbarungen sowie über die Herabsetzung von auf ihnen beruhender Gebührenabrechnungen.
Hinsichtlich des Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen. Das LG Memmingen hat die auf Verurteilung zur Zahlung von 5.723,75 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.5.2009 gerichtete Klage in vollem Umfang abgewiesen.
Zwar sei die Abtretung der Forderung an die klagende anwaltliche Verrechnungsstelle wirksam. Die zwischen den Rechtsanwälten M. und dem Beklagten geschlossene Vergütungsvereinbarung vom 27.8.2008 (Anlage R2) und der ergänzende Mandatsvertrag und Vergütungsvereinbarung mit Hinweisen zur Abrechnung vom selben Tag (Anlage R5) seien jedoch sittenwidrig i.S.d. § 138 Abs. 1 BGB und damit nichtig. Es bestehe ein grobes Missverhältnis zwischen den Leistungen der Rechtsanwälte und dem vereinbarten Honorar. Auch die subjektiven Voraussetzungen eines wucherähnlichen Rechtsgeschäftes seien zu bejahen, da die Rechtsanwälte mit dem anwaltlichen Gebührenrecht besser vertraut seien. Damit bestehe die anwaltliche Gebührenforderung aus dem Rechtsstreit gegen die Eheleute L. nicht. Die dem Grunde und der Höhe nach unstreitige Forderung aus dem Rechtsstreit gegen die Eheleute A. (richtig: A.) sei durch die vom Beklagten erklärte Aufrechnung erloschen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie ihre ursprünglichen Anträge in vollem Umfang weiter verfolgt. Sie beantragt:
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Urteils des LG Memmingen vom 1.9.2010 - 35 O 1293/09 verurteilt, an die Klägerin 5.723,75 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.5.2009 zu zahlen.
Sie bringt vor, die Vereinbarung eines Gegenstandswerts von 171.425,87 EUR sei sachgerecht gewesen, obwohl nur eine Werklohnforderung i.H.v. 23.999,60 EUR eingeklagt worden sei. Die Eheleute L. als Beklagte des dortigen Rechtsstreits hätten nämlich behauptet, dass das Vertragsverhältnis mit dem dortigen Kläger (dem hier Beklagten) bereits beendet sei, während dieser auf einen Fortbestand des Vertragsverhältnisses Wert gelegt habe. Für die Sittenwidrigkeit einer Gebührenvereinbarung komme es auch nicht auf das Missverhältnis der erbrachten Leistungen zum vereinbarten Honorar, sondern der gesetzlichen Gebühr zur vereinbarten Gebühr an. Selbst Überschreitungen des gesetzlichen Gebührenrahmens um das 5-fache ließen nicht den Schluss zu, dass eine Äquivalenzstörung vorliege. Der Beklagte habe auch gewusst, worauf er sich einlasse, weil er bereits für die außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts eine Zwischenabrechnung vom 31.3.2008 (Anlage R4) erhalten habe, aufgrund derer er eine 1,5 Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV aus dem Gegenstandswert von 171.425,87 EUR in Rechnung gestellt erhalten und auch bezahlt habe.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Die Berufung rüge keine Rechtsverletzung. Sie nehme die Feststellung des Erstgerichts nicht zur Kenntnis. Der Bauvertrag sei von Seiten der Eheleute L. bereits durch Schreiben vom 6.3.2008 gekündigt worden; sie hätten zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 1.9.2008 bereits anderweitig ein Haus errichtet gehabt. Es wird bestritten, dass zur Zeit der Klageerhebung der Beklagte darauf Wert gelegt habe, dass das Vertragsverhältnis noch bestehen würde.
Der Senat hat mit den Parteien am 3.3.2011 und am 19.4.2012 mündlich verhandelt sowie gem. Beweisbeschluss vom 24.3.2011 gem. § 3a Abs. 2 RVG ein Gutachten der Rechtsanwaltskammer M. erholt, das diese unter dem 20.12.2011 erstattet hat. Ergänzend wird auf dieses Gutachten, die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.
II. Die Berufung der Klägerin ist zulässig und - mit Ausnahme geringfügiger Abstriche bei den Zinsen - auch begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 5.723,75 EUR aus dem rechtsanwaltlichen Dienstvertrag der Rechtsanwälte M. mit dem Beklagten in Verbindung mit der Abtretungsvereinbarung vom 15.4.2009 (K1) zu, dere...