Leitsatz (amtlich)
1. Auch die Klage eines Verbraucherschutzvereins, die andere Verstöße gegen Verbraucherschutzgesetze als die Verwendung missbräuchlicher Vertragsklauseln betrifft, hat eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, i. S. d. Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO zum Gegenstand.
2. Die in Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO vorgenommene Zuständigkeitszuweisung an bestimmte Gerichte eines Mitgliedstaats betrifft nicht die internationale Zuständigkeit. Insoweit wird lediglich die örtliche Zuständigkeit geregelt.
3. Auch andere Verstöße gegen Verbraucherschutzgesetze als die Verwendung missbräuchlicher Vertragsklauseln fallen unter den Begriff des unlauteren Wettbewerbs i. S. d. Art. 6 Abs. 1 Rom-II-VO, sofern dadurch die kollektiven Interessen der Verbraucher als Gruppe beeinträchtigt und damit die Wettbewerbsbedingungen auf dem Markt beeinflusst werden können.
Allerdings ist bei der Prüfung, ob das jeweils beanstandete Verhalten die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch gemäß § 2 UKlaG erfüllt - ob also die beanstandeten Praktiken bei der Abwicklung der Verbraucherverträge gegen Verbraucherschutzgesetze verstoßen - auf das diese Verträge beherrschende Recht abzustellen, das eigenständig nach der Rom-I-VO bestimmt werden muss.
4. Die streitgegenständliche Verwendung eines Dash Buttons, durch dessen Drücken eine Warenbestellung über das Internet ausgelöst wird, verstößt
a) gegen die Verpflichtung aus § 312j Abs. 3 BGB, dessen Schalter mit den Wörtern zahlungspflichtig bestellen oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung zu beschriften, und
b) gegen die Verpflichtung aus § 312j Abs. 2 BGB, dem Verbraucher unmittelbar, bevor er seine Bestellung tätigt, Informationen über wesentliche Eigenschaften der bestellten Ware und deren Gesamtpreis zur Verfügung zu stellen.
5. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Rahmenverträge über den Abschluss von Warenkaufverträgen im elektronischen Rechtsverkehr sind folgende Klauseln intransparent und deshalb unwirksam:
Wenn Sie ein Produkt gewählt haben, das Sie über Ihr Service-fähiges Gerät kaufen möchten, können sich manche Angebote und Produktdetails bei späteren Nachbestellungen eventuell ändern (zum Beispiel Preis, Steuern, Verfügbarkeit, Lieferkosten und Anbieter). Jede Bestellung unterliegt den zum jeweiligen Zeitpunkt geltenden Angebotsdetails. [...] Sollte Ihr Produkt zum Zeitpunkt Ihrer Bestellung nicht verfügbar sein, ermächtigen Sie uns, Ihre Bestellung mit einem geeigneten Ersatzartikel der gleichen Produktart und derselben Marke (z. B. mit leicht abweichender Füllmenge) zu erfüllen.
Normenkette
BGB § 307 Abs. 1 S. 2, § 312j Abs. 2-3; Brüssel-Ia-VO Art. 7 Nr. 2; Rom-I-VO Art. 6 Abs. 1-2; Rom-II-VO Art. 6 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 12 O 730/17) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 1. März 2018 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus Ziffer 1. a. aa. und bb. des Urteils des Landgerichts durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 15.000,- EUR und die Vollstreckung aus Ziffer 1. b. des Urteils des Landgerichts durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.500,- EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in jeweils gleicher Höhe leistet. Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe
A. Die Klägerin, die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V., ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG eingetragen.
Die in Luxemburg ansässige Beklagte unterhält eine Niederlassung in München. Sie betreibt unter der Internetadresse www.amazon.de eine Plattform für den Online-Handel mit Waren.
Seit 2016 können in Deutschland bestimmte Produkte des täglichen Bedarfs bei der Beklagten mit einem Dash Button genannten Gerät bestellt werden. Dieses kann sich mit dem WLAN eines Kunden verbinden und auf Drücken eines elektromechanischen Schalters Signale an den WLAN-Router senden. Zur Vorbereitung der Nutzung des Dash Buttons muss der Kunde eine Shopping-App der Beklagten auf seinem Smartphone installieren, über die er den Dash Button mit seinem WLAN verbindet; sodann kann er über die App das konkrete Produkt auswählen, das über den Dash Button bestellt werden können soll; dabei erhält er weitere Produktinformationen zu Preis, Menge und weiteren Eigenschaften des Produkts. Auch nach der Einrichtung des Dash Buttons kann der Kunde über die App jederzeit Angaben zum gewählten Produkt samt allen Details einsehen.
Der Dash Button ist nur a...