Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerrufsrecht bei Abonnementverträgen über digitale Inhalte

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Widerrufsrecht erlischt nach § 356 Abs. 5 BGB bei einem Vertrag über die Lieferung von digitalen Inhalten auch dann vor Ablauf der Frist des § 355 Abs. 2 BGB, wenn die vom Unternehmer geschuldete Leistung nicht die einmalige Bereitstellung eines bestimmten digitalen Inhalts betrifft, sondern, wie bei Abonnements, einen pro rata temporis zu vergütenden längerfristigen Zugriff auf ein Portal mit nicht im Einzelnen konkretisierten digitalen Inhalten.

 

Normenkette

BGB § 312g Abs. 1, § 356 Abs. 5, § 355 Abs. 2; UWG § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 7, §§ 3a, 12 Abs. 1 S. 2; RL 2011/83/EU Art. 16 lit. m

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 13.01.2016; Aktenzeichen 37 O 13026/15)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klagepartei gegen das Endurteil des LG München I vom 13.1.2016, Az. 37 O 13026/15, wird zurückgewiesen.

II. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Das Urteil des LG ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klagepartei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die beklagte Partei Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Anwendbarkeit der Norm des § 356 Abs. 5 BGB auf Abonnements betreffend digitale Inhalte. Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der (als unlauter unter dem Gesichtspunkt der Irreführung, hilfsweise des Rechtsbruchs, beanstandeten) Zurückweisung der Widerrufserklärung eines Verbrauchers auf Unterlassung sowie auf Erstattung vorprozessual angefallener Abmahnkosten in Höhe von EUR 250,00 in Anspruch.

Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrnehmung von Verbraucherinteressen gehört. Ausweislich Anlage K 1 ist er in die beim Bundesamt für Justiz geführte Liste qualifizierter Einrichtungen i.S.d. § 4 Abs. 1 UKlG eingetragen. Die Beklagte ist der größte inländische Anbieter von sog. Bezahlfernsehen. Unter der Bezeichnung "S. online" bietet sie, auch im Wege des Fernabsatzes, gegen Zahlung einer monatlich zu entrichtenden Pauschale einen internetvermittelten, über beliebige internetfähige Endgeräte wie Smartphones, pes o.ä. nutzbaren Zugang zu ihrem Programmangebot an, das neben in Echtzeit übertragenen Fernsehkanälen auch den Zugriff auf vom Nutzer zu beliebigen Zeitpunkten abrufbare Filme in der Art einer Onlinevideothek umfasst. Die Speicherung von Programminhalten auf einem Datenträger ist bei dem Angebot technisch nicht möglich.

In dem der Auseinandersetzung der Parteien zugrunde liegenden Fall hatte der Verbraucher M. S. Anfang April 2015 über die Webseite "S.s.de" bei der Beklagten ein entsprechendes Programmpaket abonniert. Der Kunde hatte daraufhin eine sog. Willkommens-E-Mail erhalten, die einen Link auf eine sofortige persönliche Zugangsberechtigung (S. PIN) nebst Zugang zu den Inhalten von S. online enthielt. Weiter hatte es in der E-Mail geheißen "Durch Klick auf den Link erhalten Sie sofort eine persönliche Zugangsberechtigung (S. PIN) und Zugang zu den Inhalten von S. Online. Durch das Anklicken stimmen Sie zu, dass S. vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Vertragsausführung beginnt. Mit Beginn der Vertragsausführung verlieren Sie Ihr Widerrufsrecht." Den von dem Kunden wenige Tage später erklärten Widerruf lehnte die Beklagte mit E-Mail vom 09.4.2015 (Anlage K 2) mit der Begründung ab: Ein Widerruf so wie Sie ihn in Ihrer Email erwähnen besteht bei S. Online leider nicht. Das Widerrufsrecht erlischt mit Aktivierung des Vertrages in der Willkommens-Email. Dies können Sie dort nachlesen ... Der entsprechende Abschnitt lautet [es folgt der oben zitierte Text]."

Mit Endurteil vom 13.1.2016, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das LG die (nach erfolgloser Abmahnung vom 19.5.2015 mit Fristsetzung bis 02.6.2015, Anlage K 3) erhobene Klage, darauf gerichtet,

1. es [bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel] zu unterlassen, gegenüber Verbrauchern, die ihre auf Abschluss eines "5. online"-Abonnements, d.h. eines Vertrags über die dauernde, nach Zeitabschnitten zu vergütende Gewährung eines internetvermittelten Zugangs zu einer Plattform zum Abruf von Filmen und Fernsehkanälen, gerichtete Willenserklärung nach § 312g Abs. 1 BGB widerrufen haben, wie in der als Anlage K 2 vorgelegten, mit dem Tenor verbundenen E-Mail geschehen - zu behaupten, das Widerrufsrecht sei mit der Aktivierung des Vertrags vor Ablauf der Widerrufsfrist erloschen,

2. an den Kläger EUR 250,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.6.2015 zu zahlen, im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die beanstandete Behauptung, das Widerrufsrecht des Kunden S. sei erloschen, stelle sich weder unter dem Gesichtspunkt der Irreführung noch des Rechtsbruchs als unlauter dar. Die Behauptung stehe in Einklang mit § 356 Abs. 5 ...

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