Verfahrensgang
LG Dessau (Urteil vom 22.08.1997; Aktenzeichen 4 O 267/97) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten zu 1. gegen das am 22. August 1997 verkündete Teil-Versäumnis-und Endurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dessau (4 O 267/97) wird zurückgewiesen.
Der Beklagte zu 1. trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer des Beklagten zu 1. übersteigt 60. 000 DM nicht.
Tatbestand
Der Beklagte zu 1. (im folgenden: der Beklagte) war seit dem 5.5.1993 Geschäftsführer der W. GmbH in W. (Schuldnerin). Die Schuldnerin führte Arbeitnehmerbeiträge in Höhe von 37.389,93 DM für den Zeitraum 1.1.1994 bis 30.4.1994 nicht an die Klägerin ab. Durch Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 25.5.1994 wurde der Beklagte als Geschäftsführer abberufen. Auf Antrag der Klägerin vom 31.8.1994 wurde am 30.9.1994 das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Ein gegen den Beklagten gerichtetes Strafverfahren wegen Vorenthalten von Arbeitsentgeltes (§ 266a StGB) wurde gemäß § 153a StPO eingestellt, nachdem der Beklagte eine Geldbuße von 2. 000 DM gezahlt hatte (Amtsgericht Wittenberg 2 Cs 152 Js 3154/95). Im vorliegenden Prozeß wird der Beklagte auf Zahlung von 37.389,93 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Der Beklagte vertritt die Ansicht, die Beitragsschuld der Schuldnerin habe sich dadurch reduziert, daß auch die Löhne nicht in voller Höhe ausbezahlt worden sein. Er meint weiter, im Jahre 1994 an die Klägerin erbrachte Zahlungen der Schuldnerin in Höhe von 30. 000 DM seien nicht anteilig auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile zu verrechnen gewesen, sondern ausschließlich auf die Arbeitnehmeranteile. Der Beklagte behauptet, die
Schuldnerin sei seit Januar 1994 zahlungsunfähig gewesen. Am 10.5.1995 sei er, der Beklagte, aller Geschäftsführungsbefugnisse entbunden worden, so daß er nicht mehr in der Lage gewesen sei, die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge für April 1995 zu veranlassen. Er beantragt,
die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen, als der Beklagte zu 1. als Gesamtschuldner neben den Beklagten zu 2. und zu 3. zur Zahlung eines Betrages an die Klägerin verurteilt worden ist, der 7.389,93 DM übersteigt.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat den vom Beklagten benannten Zeugen W. H. im Wege der Rechtshilfe durch das Amtsgericht Fulda vernehmen lassen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 30. Dezember 1998 Bezug genommen (GA II 14 ff). Die Strafakten 152 Js 3154/95 der StA Dessau lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung bleibt ohne Erfolg. Auf die zutreffenden Gründe des landgerichtlichen Urteils, die sich der Senat zu eigen macht, wird Bezug genommen (§ 543 Abs. 1 ZPO). Ergänzend sei bemerkt:
1.
Auf die Höhe der geschuldeten Arbeitnehmerbeiträge hat es keinen Einfluß, wenn Lohn nicht vollständig gezahlt wird. Die Arbeitnehmer haben Anspruch auf den vollen Lohn erworben. Damit entstehen auch die Beitragsansprüche in voller Höhe.
2.
Die Schuldnerin war nicht seit Januar 1994 zahlungsunfähig. Darlegungs- und beweispflichtig dafür, daß die GmbH bei Fälligkeit aufgrund Zahlungsunfähigkeit gehindert war, die geschuldeten Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung abzuführen, ist der Geschäftsführer (OLG Düsseldorf GmbHR 1997, 900). Der Beklagte hat bereits nicht ausreichend vorgetragen. Daß die Schuldnerin im gesamten Zeitraum 1.1.1994 bis 31.8.1994 (Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens) keinerlei Umsätze mehr getätigt und keinerlei Zahlungen mehr geleistet hat, kann ausgeschlossen werden. Dann aber reicht die schlichte Behauptung einer „Zahlungsunfähigkeit” nicht aus. Jegliche Einzelheiten dazu, welche Kreditrahmen der Schuldnerin im fraglichen Zeitraum zur Verfügung standen, welche Verfügungen von den Banken noch geduldet wurden, welche Zahlungen erfolgten und welche Verbindlichkeiten nicht mehr beglichen wurden, fehlen.
3.
Die Zahlungen von insgesamt 30. 000 DM waren nicht insgesamt auf rückständige Arbeitnehmerbeiträge zu verrechnen. Die Schuldnerin hatte keine Tilgungsbestimmung im Sinne von § 366 BGB getroffen. Das behauptet auch der Beklagte nicht. Die Tilgungsreihenfolge richtete sich deshalb nach § 2 der Beitragszahlungsverordnung vom 22. Mai 1989 (BGBl I 990) in der bis zum Inkrafttreten des Art. 2 Nr. 2 der Zweiten Verordnung zur Änderung der Beitragsüberwachungsverordnung und der Beitragszahlungsverordnung vom 20. Mai 1997 (BGBl I 1137) geltenden Fassung. Eine Differenzierung nach Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen war in dieser Vorschrift nicht vorgesehen. Zahlungen, die auf die Beiträge zur Sozialversicherung geleistet werden, waren bei gleicher Fälligkeit anteilmäßig, somit je zur Hälft...