Leitsatz (amtlich)
1. Auch Billigprodukte müssen eine gewisse Basissicherheit aufweisen. Auch wenn es für eine Tischfeuerstelle zur Zeit ihrer Herstellung noch keine speziellen Sicherheitsvorschriften gibt, darf ein Produkt, dessen Konstruktion, wie sachverständig nachgewiesen, zwangsläufig zu einem Schadenshergang führt, nicht auf den Markt gebracht werden.
2. Der Hersteller eines Produktes muss auf die aus der Verwendung einer Sache resultierenden Gefahren hinweisen. Diese Pflicht erstreckt sich auch auf einen innerhalb des allgemeinen Verwendungszwecks nahe liegenden und für den Hersteller erkennbaren Fehlgebrauch. Dabei sind besonders strenge Maßstäbe dort anzulegen, wo Körper- und Gesundheitsschäden drohen.
Verfahrensgang
LG Dessau-Roßlau (Urteil vom 29.02.2012; Aktenzeichen 2 O 66/10) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 29.2.2012 verkündete Urteil des LG Dessau-Roßlau abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.500 EUR nebst Zinsen für das Jahr i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.9.2009 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger 4/7 und die Beklagte 3/7.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
und beschlossen:
Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 543 Abs. 1, 544 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO abgesehen.
I. Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache Erfolg. Das angefochtene Urteil des LG beruht auf Rechtsverletzungen, aus denen sich Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen der ersten Instanz ergaben (§§ 513 Abs. 1, 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Im Ergebnis der mündlichen Verhandlung vor dem Senat und der durchgeführten Beweisaufnahme hat der Kläger gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch aus §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 2, 3 Abs. 1, 4 Abs. 3 Satz 1 ProdHaftG. Der Kläger hat bewiesen (vgl. § 1 Abs. 4 Satz 1 ProdHaftG), durch die im Geschäft der Beklagten erworbene fehlerhafte Tischfeuerstelle eines nicht festzustellenden Herstellers an Körper und Gesundheit verletzt worden zu sein. Hierfür ist er gem. § 8 Satz 2 ProdHaftG und § 253 BGB durch ein Schmerzensgeld von 4.500 EUR nebst den nach §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 Satz 1 BGB angefallenen Verzugszinsen zu entschädigen. Einen weiter gehenden, auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten gerichteten Schadensersatzanspruch hat der Kläger allerdings schon deshalb nicht, weil er das Erleiden eines solchen Schadens nicht dargelegt und bewiesen hat. Für die Kosten der Rechtsverfolgung des Klägers kam vielmehr eine Rechtsschutzversicherung auf.
1. Das LG hat die Klage abgewiesen, weil sich der Einzelrichter nicht von der Richtigkeit der Aussage der Ehefrau des Klägers überzeugen konnte, sie habe die Tischfeuerstelle mit einem Zettel erworben, nach dem der Kaufgegenstand mit Bioethanol habe betrieben werden können. Es sei ebenso möglich, dass der Kläger Bioethanol in eine ausschließlich zum Betrieb mit Brennpaste freigegebene Tischfeuerstelle gegeben habe. Wenn es keine Bedienungsanleitung gäbe, hätte der Kläger die Feuerstelle grob fahrlässig "einfach so" mit Bioethanol befüllt, weil er gemeint habe, er könne mit dem Produkt so verfahren, wie er das von seiner im Jahr 2005 erworbenen Ethanolsäule kenne.
Dies begegnet unter mehreren Gesichtspunkten durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Zu Recht rügt die Berufung die Beweiswürdigung als fehlerhaft. Unter Verstoß gegen § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO berücksichtigt und würdigt das LG das Ergebnis seiner Beweisaufnahme und mündlichen Verhandlung nur unvollständig und zieht, auch aus dem späten Bestreiten des Inhalts der E-Mail der Beklagten vom 20.7.2009 durch den Kläger, Schlüsse, die nicht den Gesetzen der Logik und der Lebenserfahrung folgen.
Zwischen der von der Beklagten in der E-Mail vom 20.7.2009 behaupten Lüge des Klägers, dem Zeitpunkt des Bestreitens dieser Behauptung im Prozess durch den Kläger und der Aussage der Zeugin T., ein der Feuerstelle beiliegender Zettel habe auf die Verwendbarkeit von Bioethanol hingewiesen, besteht kein Zusammenhang, der für oder gegen die Richtigkeit der Bekundungen der Zeugin in Erwägung gezogen werden kann. Hat der Kläger vorprozessual der Beklagten gegenüber tatsächlich behauptet, die Bedienungsanleitung der Feuerstelle befinde sich im Büro seines Rechtsanwalts, kann hieraus nur dann etwas für die Unwahrheit der Aussage der Zeugin gewonnen werden, wenn die behauptete Erklärung des Klägers gestimmt, er also nicht gelogen und die Zeugin damit das Vorliegen einer Bedienungsanleitung verschwiegen hätte. Gerade dies stellt das LG aber nicht fest, sondern lässt diesen Umstand (mehr oder weniger) unentschieden. In Bezug auf die ne...