Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage, ob die Nichtigkeit eines Gesellschafterbeschlusses einer Personengesellschaft gem. § 139 ZPO auch die Nichtigkeit eines weiteren, in derselben Gesellschafterversammlung unter einem anderen Tagesordnungspunkt gefassten, mit dem nichtigen Beschluss sachlich zusammenhängenden weiteren Gesellschafterbeschlusses zur Folge hat.
2. Werden in der Gesellschafterversammlung unter verschiedenen Tagesordnungspunkten mehrere Beschlüsse gefasst und in der Folge von einem Gesellschafter die Nichtigkeit (nur) eines Beschlusses gerichtlich geltend gemacht, so kann ihm die spätere Berufung darauf, auch ein weiterer, sachlich hiermit zusammenhängender Gesellschafterbeschluss sei nichtig, unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung versagt sein.
3. Sieht der Gesellschaftsvertrag einer Kommanditgesellschaft Mehrheitsentscheidungen vor, so kann auch die Feststellung des Jahresabschlusses (§ 242 Abs. 3 HGB) mehrheitlich beschlossen werden (im Anschluss an BGHZ 170, 283 - OTTO).
4. Vereinbaren die Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft vorab, zukünftig erzielte festgestellte Gewinne der Gesellschaft in bestimmter Weise zu verwenden, bedarf es zu einer derartigen Gewinnverwendung keiner gesonderten Gewinnverwendungsbeschlüsse mehr. Lediglich eine abweichende Gewinnverwendung setzt einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss voraus.
5. Ein Gewinnentnahmeanspruch des Kommanditisten besteht nicht, soweit der Gesellschaft ein schwerer, nicht wiedergutzumachender Schaden droht, weil sich die Bildung von Rücklagen als erforderlich erweist, um das Unternehmen für die Zukunft lebens- und widerstandsfähig zu erhalten. Bei der erforderlichen Interessenabwägung sind die Ausschüttungsinteressen der Gesellschafter gegenüber den Bedürfnissen der Selbstfinanzierung und Zukunftssicherung der Gesellschaft abzuwägen.
6. Geht die Kammer für Handelssachen des LG gem. § 114 GVG von eigener Sachkunde zur Entscheidung einer Streitfrage aus, so hat sie hierauf gem. § 139 ZPO hinzuweisen, wenn bereits zuvor zur Klärung dieser Streitfrage eine Beweisaufnahme angeordnet worden war, die noch nicht abgeschlossen ist.
Normenkette
BGB §§ 139, 242; HGB §§ 119, 122, 169 Abs. 1 S. 2, § 242; ZPO § 139; GVG § 114
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 25.02.2011; Aktenzeichen 2HK O 1340/06) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten zu 2) wird das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 25.2.2011 (Az. 2 HK O 1340/06) abgeändert, soweit der Klage in Richtung gegen den Beklagten zu 2) stattgegeben worden ist.
2. Die Klage wird in Richtung gegen den Beklagten zu 2) abgewiesen.
3. Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 25.2.2011 (Az. 2 HK O 1340/06) aufgehoben, soweit der Klage in Richtung gegen die Beklagte zu 1) stattgegeben worden ist.
4. Der Rechtsstreit wird im Umfang der Aufhebung unter Aufhebung des zugrunde liegenden Verfahrens zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, soweit hierüber nicht in Ziff. 6 erkannt wird, an das LG Nürnberg-Fürth, Kammer für Handelssachen, zurückverwiesen.
5. Die weiter gehende Berufung der Beklagten zu 1) gegen das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 25.2.2011 (Az. 2 HK O 1340/06) wird zurückgewiesen.
6. Die Kläger tragen samtverbindlich die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) in beiden Instanzen.
7. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung des Beklagten zu 2) durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zu 2) vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 259.428,06 EUR festgesetzt, und zwar
- im Verhältnis der Klägerin zu 1) zur Beklagten zu 1) auf 132.578,98 EUR,
- im Verhältnis der Klägerin zu 2) zur Beklagten zu 1) auf 25.000 EUR,
- im Verhältnis der Klägerin zu 3) zur Beklagten zu 1) auf 43.119,45 EUR,
- im Verhältnis des Klägers zu 4) zur Beklagten zu 1) auf 8.729,63 EUR,
- im Verhältnis der Klägerin zu 1) zum Beklagten zu 2) auf 50.000 EUR,
- im Verhältnis der Klägerin zu 2) zum Beklagten zu 2) auf 50.000 EUR,
- im Verhältnis der Klägerin zu 3) zum Beklagten zu 2) auf 50.000 EUR,
- im Verhältnis des Klägers zu 4) zum Beklagten zu 2) auf 50.000 EUR.
Gründe
A. Die Parteien streiten im Zusammenhang mit einer zwischen ihnen bestehenden Familien-Kommanditgesellschaft insbesondere über Gewinnauszahlungs- und Geschäftsführervergütungsansprüche.
1. Die Beklagte zu 1) ist eine Familien-KG, die im Handelsregister des AG X unter HRA ... eingetragen ist. Geschäftsgegenstand des mittelständischen Unternehmens ist insbesondere die Gummi- und Kunststoffproduktion sowie der Sanitärbereich (s. unter http://www...).
Das Haftkapital der Beklagten zu 1) beträgt insgesamt 3.970.000 DM. Persönlich haftender Gesellschafter mit einer Hafteinlage von 2.410.000 DM (60,7 % des Gesamtkapitals) ist H., der Beklagte zu 2). Ein Teilbetrag dieser Einlage i.H.v. 8...