Leitsatz
Fraglich ist, ob eine die Grunderwerbsteuer auslösende Anteilsübertragung ordnungsgemäß im Sinne des § 16 Abs. 5 GrEStG angezeigt wurde.
Sachverhalt
An der O GmbH waren die Klägerin mit 90,1 % und die M AG mit 9,9 % beteiligt. Die O GmbH ist Eigentümerin eines Wohn- und Geschäftshauses in X-Stadt.
Mit notariell beurkundetem Vertrag verkaufte die M AG ihren Anteil von 9,9 %
an der O GmbH an die Klägerin zum Kaufpreis von X EUR. Die Klägerin wurde bei Vertragsschluss durch ihren damaligen Geschäftsführer Herrn A vertreten, der alleinvertretungsberechtigt war. Die M AG, deren Vertretungsregelung vorsah, dass die Gesellschaft nur durch zwei Vorstandsmitglieder vertreten werden konnte, wurde bei Vertragsschluss durch Herrn B vertreten. Dieser handelte zum einen als Vorstand der M AG, zum anderen handelte er, vorbehaltlich der nachträglichen Genehmigung die mit
ihrem Zugang beim Notar wirksam sein sollte, für seinen Mitvorstand Herrn C. Herr C genehmigte den Vertrag am 23.12.2016. Die Genehmigung des Vertrages durch Herrn C ging dem beurkundenden Notar am 30.12.2016 zu. Ebenfalls am 30.12.2016 übersandte der beurkundende Notar eine Kopie des Vertrages an das Finanzamt X-Stadt Abteilung Körperschaften. Die vom beurkundenden Notar dem beklagten Finanzamt übersandte Veräußerungsanzeige samt Kopie des Vertrages vom 22.12.2016 ging am 12.1.2017 beim Finanzamt ein. Mit Bescheid vom 2.5.2018 setzte daraufhin das Finanzamt gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von X EUR fest. Den Grundbesitzwert schätzte das Finanzamt auf 5.651.200 EUR, der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 AO.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 12.6.2018 trat die Klägerin 9,9 % ihrer Anteile an der O GmbH an die M AG zum Kaufpreis von X EUR ab. Mit Schreiben vom 19.6.2018 beantragte die Klägerin die Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 2.5.2018 gem. § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG. Der Vertrag vom 22.12.2016 sei am 30.12.2016 an das Finanzamt X-Stadt übersandt worden. Die zuständige Sachbearbeiterin des beurkundenden Notars habe die Anzeige an die Grunderwerbsteuerstelle des Finanzamtes nicht mehr am 30.12.2016 fertiggestellt.
Mit Schreiben vom 28.6.2018 lehnte das Finanzamt jedoch den Antrag auf Aufhebung der Steuerfestsetzung gem. § 16 GrEStG ab. Der Aufhebung stehe § 16 Abs. 5 GrEStG entgegen und die Geschäftsanteilsabtretung sei nicht fristgerecht angezeigt worden. Der Vertrag vom 22.12.2016 sei erst am 12.1.2017 und damit nicht fristgerecht im Sinne des § 16 Abs. 5 GrEStG beim Finanzamt eingegangen.
Mit Schreiben vom 1.8.2018 legte die Klägerin gegen die Ablehnung des Antrags auf Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheides vom 28.6.2018 Einspruch ein und stellte später den Antrag, die Zweiwochenfrist des § 18 Abs. 3 GrEStG gem. § 109 Abs. 1 Satz 1 AO rückwirkend bis zum 13.
1.2017 zu verlängern. Auch sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 AO zu gewähren. Das Finanzamt wies jedoch den Einspruch gegen die Ablehnung des Antrags auf Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheides vom 28.6.2018 als unbegründet zurück.
Nachdem das Finanzamt X-Stadt mit Bescheid vom 11.5.2020 über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 22.12.2016 den Grundbesitzwert für das Grundstück der O GmbH in Höhe von 17.271.500 EUR festgestellt hatte, setzte das Finanzamt mit gem. § 164 Abs. 2 AO geändertem Bescheid vom 7.7.2020 die Grunderwerbsteuer gegen die Klägerin auf X EUR herauf und hob den Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 AO auf.
Die Klägerin beantragte, den Grunderwerbsteuerbescheid vom 2.5.2018, in Gestalt des Änderungsbescheides vom 7.7.2020, sowie in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.1.2020 aufzuheben und hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das Finanzamt beantragte hingegen, die Klage abzuweisen.
Entscheidung
Nach Ansicht des FG München ist die Klage unbegründet. Das Finanzgericht begründet seine Entscheidung u. a. wie folgt:
Der Erwerbsvorgang unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer.
Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer u. a. ein Rechtsgeschäft, das den
Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein vereinigt werden würden, soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG nicht in Betracht kommt.
Im Streitfall wurde der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG somit am 30.12.2016, mit Zugang der Genehmigung des Vertrags vom 22.12.2016 durch Herrn C beim beurkundenden Notar verwirklicht. Die Klägerin, die vor Abschluss des Vertrages zu 90,1 % an der O GmbH beteiligt war, hat dadurch einen Anspruch auf Übertragung der restlichen 9,9 % der Anteile an der O GmbH erlangt. Das Finanzamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Steuerfestsetzung nicht gem. § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG aufzuheben war. Erwirbt der Veräußerer das Eigentum an dem veräußerten Grundstück zurück,...