Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Eine GmbH, die an einer KG als persönlich haftende Gesellschafterin beteiligt ist, kann entgegen der bisherigen BFH-Rechtsprechung als Organgesellschaft in das Unternehmen dieser KG eingegliedert sein.
Sachverhalt
Bis zum Jahr 2000 betrieb die B-GmbH & Co. KG (KG) verschiedene Alten- und Pflegeheime. Komplementärin war die H-GmbH - GmbH ohne Einlage und ohne Beteiligung am Gewinn und Verlust. Die Kommanditisten der KG (Klägerin) waren auch Gesellschafter der H-GmbH. Die GmbH erhielt neben den Kosten der Geschäftsführung eine Haftungsvergütung von 10 % des Stammkapitals von 50.000 DM. Seit Ende des Jahres 2000 betrieb die GmbH die verschiedenen Altenheime und Pflegeheime im eigenen Namen und für eigene Rechnung. Zu diesem Zweck wurde ihr ein auf fremdem Grund und Boden befindliches Grundstück von der KG mietweise (gegen Entgelt) überlassen. Außerdem stellte die KG entgeltlich das technische Personal, das Verwaltungspersonal und das Inventar für alle Häuser zur Verfügung. Ferner erledigte sie Verwaltungsaufgaben und Hausmeisterserviceleistungen für die GmbH. Die von der KG angenommene Organschaft (Organträgerin: KG; Organgesellschaft: GmbH) wurde vom Finanzamt nicht anerkannt.
Entscheidung
Die Klage vor dem Finanzgericht hatte Erfolg. Danach liegt eine Organschaft mit der KG als Organträgerin und der H-GmbH als Organgesellschaft vor. Die finanzielle Eingliederung bejahte das Finanzgericht, weil die Kommanditisten sowohl bei der KG als auch bei der GmbH als Gesellschafter über die Stimmenmehrheit verfügten und die finanzielle Eingliederung auch durch mittelbare Beteiligung erreicht werden könne. Die wirtschaftliche Eingliederung wurde unter Hinweis auf die Betriebsaufspaltung bejaht, außerdem verwies das Finanzgericht auf die Bereitstellung des Personals und der Sachmittel. Die ebenfalls erforderliche organisatorische Eingliederung läge vor, da wegen der Personal- und Organidentität der Wille der KG immer auch der Wille der GmbH sein müsse. Schließlich verwies das Gericht darauf, dass bei deutlicher Ausprägung der finanziellen und organisatorischen Eingliederung eine wirtschaftliche Eingliederung schon bei mehr als nur unerheblichen Geschäftsbeziehungen vorliegen könne .
Hinweis
Das Finanzgericht stellt sich mit seiner bemerkenswerten Entscheidung nicht nur gegen die aktuelle Verwaltungsmeinung , sondern auch gegen die eventuell überalterte BFH-Rechtsprechung . Das Finanzgericht hatte nicht etwa über den Fall einer sog. Einheits-GmbH & Co KG zu bestimmen, bei der die KG zu 100 % an der GmbH beteiligt ist. In solchen Fällen erkennt auch die Finanzverwaltung regelmäßig eine Organschaft an
Weil die Finanzrichter ihr Urteil nach eingehender Würdigung der neueren BFH-Rechtsprechung gefunden haben, ist es m.E. nicht allzu weit hergeholt, dass der BFH im nun anhängigen Revisionsverfahren seine frühere Rechtsauffassung nochmals grundlegend überdenken könnte (Az. des anhängigen Verfahrens: V R 9/09). Der BFH wird jetzt vermutlich darüber entscheiden müssen, ob bereits die Stellung einer GmbH als Komplementärin einer KG einer Eingliederung der GmbH in die KG entgegensteht. Außerdem wäre zu klären, ob eine organisatorische Eingliederung der GmbH in die KG vorliegt, wenn durch Personalidentität und Organidentität der Wille der KG immer auch der Wille der GmbH ist bzw. faktisch ausgeschlossen werden kann, dass die GmbH einen entgegen stehenden Willen gegenüber der KG in derselben Angelegenheit rechtlich durchsetzen kann.
Wer bereits diesen Weg der Gestaltung einer Organschaft gegangen ist, vermutlich um Vorsteuernachteile bei "innerbetrieblichen" Leistungsbeziehungen zu reduzieren, sollte ablehnende Bescheide in jedem Fall bis zu einer abschließenden Entscheidung des BFH offenhalten. Wer sich jetzt erstmals mit einem solchen Gestaltungsgedanken trägt, muss sich bewusst sein, dass die Entscheidung des BFH durchaus auch zu seinen Lasten ausfallen kann. Eine klare und eindeutige Tendenz in die eine oder andere Richtung ist bislang nicht erkennbar.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 12.02.2009, 16 K 311/07