Leitsatz
Ist der Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs Organträger, so unterliegen auch die Lieferungen der Erzeugnisse dieses Betriebs durch die Organgesellschaft der Besteuerung nach Durchschnittssätzen (§ 24 UStG).
Normenkette
§ 24, § 2 Abs. 2 Nr. 2, UStG, Art. 4 Abs. 4 UA 2, Art. 24 und Art. 25 6. EG-RL (EWGRL 388/77)
Sachverhalt
Der Kläger bewirtschaftete in den Streitjahren 2004 und 2005 einen Aussiedlerhof und baute Gemüse, Zuckerrüben, Kartoffeln und Getreide an. Er war zudem alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der A-GmbH (GmbH). Der Kläger veräußerte das von ihm selbst erzeugte Gemüse an die GmbH, die es wusch, entstielte, verpackte und verkaufte. Das FA ging davon aus, dass zwischen dem Kläger und der GmbH eine Organschaft bestanden habe. Daher seien die Eingangs- und Ausgangsumsätze der GmbH dem Kläger zuzurechnen. Gegen die USt-Bescheide für beide Streitjahre vom 28.6.2010 legte der Kläger Einspruch ein und machte geltend, dass sich aus der Organschaft ergebe, dass die Umsätze der GmbH nach § 24 UStG der Durchschnittssatzbesteuerung unterlägen. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Demgegenüber gab das FG der Klage statt (FG Köln, Urteil vom 21.4.2016, 11 K 1694/11, Haufe-Index 9884563).
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. Sei der Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs Organträger, ist § 24 UStG auch auf die Lieferungen der Erzeugnisse dieses Betriebs durch dessen Organgesellschaft anzuwenden. Daher habe das FG zutreffend entschieden, dass der Kläger aufgrund der zwischen ihm und seiner GmbH bestehenden Organschaft berechtigt war, die Umsätze der GmbH nach § 24 UStG zu versteuern, soweit die GmbH vom Kläger hergestellte landwirtschaftliche Erzeugnisse geliefert habe.
Hinweis
1. § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG gilt für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze. Als derartiger Betrieb gilt gemäß § 24 Abs. 2 Nr. 1 UStG insbesondere die Landwirtschaft.
2.§ 24 Abs. 1 Satz 1 UStG kann auch auf die Umsätze anzuwenden sein, die eine GmbH als Organgesellschaft eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebsinhabers ausführt.
a) Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbstständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist. Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 11 MwStSystRL (früher: Art. 4 Abs. 4 UA 2 der 6. RL). Danach steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln.
b) Die durch § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG angeordnete Unselbstständigkeit der Organgesellschaft führt dazu, dass deren Tätigkeit dem Organträger zuzurechnen ist.
Die Organschaft bewirkt zudem nicht nur eine Zurechnung von Umsätzen, sondern beeinflusst auch die Höhe der für den Organträger entstehenden Steuer. So kommt es z.B. für den Vorsteuerabzug des Organträgers auf die Verhältnisse des gesamten Organkreises an. Bezieht der Organträger eine Leistung, die er an eine Organgesellschaft weitergibt, bestimmt sich der Vorsteuerabzug nach der Verwendung der Leistung bei der Organgesellschaft. Darüber hinaus beeinflusst die Behandlung als ein Unternehmen auch die steuerrechtliche Qualifikation der durch den Organkreis erbrachten Umsätze. Liefert der Organträger z.B. ein Grundstück, das durch die Organgesellschaft bebaut wird, führt die Behandlung als ein Unternehmen dazu, dass – ebenso als ob sich eine Person zur Lieferung eines noch zu bebauenden Grundstücks verpflichtet – eine einheitliche Leistung vorliegt. Ebenso führt die Übertragung eines an eine Organgesellschaft vermieteten Grundstücks auf den Organträger nicht zu einer Geschäftsveräußerung, da der Organträger umsatzsteuerrechtlich keine Vermietungstätigkeit fortsetzt, sondern das Grundstück im Rahmen seines Unternehmens selbst nutzt.
c) Danach führt die organschaftliche Zusammenfassung von Organträger und Organgesellschaft dazu, dass Umsätze i.S.v. § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG auch dann vorliegen, wenn die landwirtschaftliche Erzeugertätigkeit und die Lieferung der so erzeugten Gegenstände durch unterschiedliche Unternehmen des Organkreises ausgeführt werden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 10.8.2017 – V R 64/16