Entscheidungsstichwort (Thema)
Annahme der Unzuverlässigkeit eines Architekten bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen. Anforderungen an die Begründung des Sofortvollzugs im Verwaltungsrecht. Notwendigkeit des Eingehens auf den Einzelfall bei Begründung des Sofortvollzugs im Verwaltungsrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Im Hinblick auf die Begründungsanforderungen des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO an die Anordnung eines Sofortvollzugs können bei gleichartigen, häufig wiederkehrenden Gefahrenlagen auch gleichartige Begründungen genügen und ist eine gewisse Formelhaftigkeit unvermeidlich.
2. Im Hinblick auf die Löschung der Eintragung eines Architekten in die Architektenliste gemäß § 6 S. 1 Buchst. d) i.V.m. § 5 Abs. 1 BauKaG NRW beseitigt allein eine Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters nach § 35 Abs. 2 S. 1 InsO das Vorliegen eines Vermögensverfalls bzw. entkräftet die daraus folgende Vermutung der Unzuverlässigkeit nicht. Im Berufsrecht der Architekten kommt insoweit auch keine analoge Anwendung des § 12 GewO, der dem Insolvenzverfahren den Vorrang zuweist, in Betracht.
3. Im Übrigen stellt die Löschung trotz der wirtschaftlichen Folgen weder einen Verstoß gegen das Übermaßverbot noch einen unzulässigen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit dar, wenn sich ein Architekt als unzuverlässig erweist.
Normenkette
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 3 S. 1; BauKaG NRW § 5 Abs. 1; BauKaG NRW § 6 S. 1 Buchst. d; InsO § 35 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Entscheidung vom 16.12.2009; Aktenzeichen 12 ME 234/09) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde, über die der Senat gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Rahmen der vom Antragsteller dargelegten Gründe befindet, hat keinen Erfolg.
Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Begründung der Antragsgegnerin für die Anordnung der sofortigen Vollziehung den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt. Die Pflicht, das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen, soll vorrangig die Behörde mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG zwingen, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst zu werden und die Frage des Sofortvollzuges besonders sorgfältig zu prüfen. Daneben hat die Begründungspflicht den Zweck, den Betroffenen über die für die Behörde maßgeblichen Gründe ihrer Entscheidung zu informieren und in einem möglichen Rechtsschutzverfahren dem Gericht die Erwägungen zur Kenntnis zu bringen. Ob die Begründung inhaltlich zutreffend ist, ist im Rahmen des rein formellen Begründungserfordernisses unerheblich.
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Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Auflage 2011, § 80 Rd. 84 ff. |
Diesen Anforderungen hat die Antragsgegnerin hier genügt. Sie hat weder gänzlich auf eine Begründung verzichtet noch lediglich den Text des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO oder der Ermächtigungsnorm des zugrundeliegenden Verwaltungsaktes wiederholt. Abgesehen davon, dass sich – wie häufig im Gefahrenabwehrrecht – das besondere Vollzugsinteresse hier auch aus der Begründung des zu vollziehenden Verwaltungsaktes selbst ergibt, hat die Antragsgegnerin auch nicht lediglich auf diese Ausführungen unter II. der Verfügung Bezug genommen. Vielmehr lassen die – wenn auch knappen – Ausführungen unter III. erkennen, dass die Antragsgegnerin sich des Ausnahmecharakters der sofortigen Vollziehung bewusst war und die für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Umstände abgewogen hat. Auch hat sie unter Bezugnahme auf den konkreten Einzelfall ausgeführt, der Antragsteller habe die ihm eingeräumte Möglichkeit nicht genutzt nachzuweisen, dass trotz seiner finanziellen Schieflage für die Zukunft eine Interessengefährdung fernliege. Der vom Antragsteller gerügte Umstand, dass die Antragsgegnerin in einer Vielzahl von Fällen die sofortige Vollziehung anordnet und dies mit ähnlichen Begründungen erfolgt, begründet keinen Verstoß gegen § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Bei gleichartigen, häufig wiederkehrenden Gefahrenlagen können dem Begründungserfordernis auch gleichartige Begründungen genügen und ist eine gewisse Formelhaftigkeit unvermeidlich.
Auch in der Sache rechtfertigen die vorgebrachten Beschwerdegründe keine Änderung des angefochtenen Beschlusses. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die auf § 6 Satz 1 lit. d) i.V.m. § 5 Abs. 1 BauKaG NRW gestützte Löschungsverfügung offensichtlich rechtmäßig ist. Es hat aus dem Umstand, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers eröffnet worden ist, zutreffend auf seine Unzuverlässigkeit geschlossen. Die Durchführung eines Insolvenzverfahrens indiziert diese. Sie hat ungeachtet der späteren Möglichkeit einer Restschuldbefreiung noch nicht zur Folge, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des in Vermögensverfall geratenen Architekten wieder als geordnet zu betrachten wären.