Erziehungspflicht umfasst Aufforderung zum Schulbesuch

Eltern sind verpflichtet, mit erzieherischen Mitteln auf ihr Kind einzuwirken, um dieses zum Schulbesuch zu bewegen. Bei Verletzung dieser Pflicht, kann die Schulbehörde ein Zwangsgeld androhen und schließlich verhängen. Dies gilt auch in Zeiten der Corona-Pandemie.

Das OVG NRW hat eine Zwangsgeldandrohung gegen die Mutter eines Kindes, das den Schulbesuch verweigerte, wegen fehlender erzieherischer Maßnahmen zur Sicherstellung des Schulbesuchs als rechtmäßig bestätigt.

Renitenter 10-jähriger verweigert Schulbesuch

In dem vom OVG entschiedenen Fall war der erzieherische Einfluss einer Mutter auf ihren zehnjährigen Sohn äußerst gering. Der Sohn verweigerte sich hartnäckig dem Schulbesuch, obwohl die Mutter ihn nach ihrer Darstellung dazu anhielt, die Schule regelmäßig zu besuchen.

Zwangsgeldandrohung wegen mangelnder erzieherischer Einwirkung

Die zuständige Schulbehörde war der Auffassung, dass die Mutter bisher nicht sämtliche ihr zur Verfügung stehenden erzieherischen Möglichkeiten genutzt hat, um ihren Sohn zum regelmäßigen Unterrichtsbesuch zu bewegen. Nach wiederholtem Fehlen des Schülers im Unterricht drohte die Schulbehörde der Mutter ein Zwangsgeld an, sollte sie es weiterhin unterlassen, sämtliche denkbaren erzieherischen Maßnahmen zu ergreifen, um ihren Sohn zum Schulbesuch anzuhalten.

Mutter will Sohn nicht in die Schule prügeln

Gegen die Zwangsgeldandrohung klagte die Mutter vor dem VG und beantragte gleichzeitig im Eilverfahren die angeordnete sofortige Vollziehung der gegen sie gerichteten Ordnungsverfügung aufzuheben. Die Mutter machte geltend, bereits alle ihr zur Verfügung stehenden legalen erzieherischen Mittel ausgeschöpft zu haben. Die Schulbehörde dürfe sie nicht verpflichten, fragwürdige Erziehungsmethoden anzuwenden, um die Schulpflicht auf Biegen und Brechen durchzusetzen. Sie sei nicht bereit, gegen ihren Sohn handgreiflich zu werden und diesen in die Schule zu prügeln.

Permanente erzieherische Einwirkung erforderlich

Mit ihren Argumenten drang die Beschwerdeführerin weder beim VG noch zweitinstanzlich beim OVG durch. Nach Auffassung der Gerichte darf die Schulbehörde zur Durchsetzung der Schulpflicht die Eltern per Ordnungsverfügung verpflichten, die ihnen zur Verfügung stehenden erzieherischen Mittel einzusetzen. Im konkreten Fall besitze die Mutter das alleinige Sorgerecht und habe in der gemeinsamen Wohnsituation mit ihrem Sohn als einzige die Möglichkeit, kontinuierlich und unmittelbar auf ihren Sohn einzuwirken. Zu einer solchen erzieherischen Einwirkung sei sie verpflichtet.

Zwangsgeldandrohung zu Recht erfolgt

Entgegen den Einwendungen der Mutter hatte die Schulbehörde nach Auffassung des OVG diese nicht aufgefordert, nicht legale Erziehungsmethoden anzuwenden. Es gehe ausschließlich um im Rahmen des pädagogisch Zulässigen und Möglichen sämtliche Optionen auszuschöpfen, um den Sohn zum Besuch der Schule zu bewegen. Die Gerichte zeigten sich überzeugt, dass die Mutter bisher nicht alle Register gezogen hatte. Die Zwangsgeldandrohung sei daher zu Recht ergangen.


(OVG Münster, Beschluss v. 4.3.2022, 19 B 1917/21)


Hintergrund

Die Pflicht zur Teilnahme am Schulunterricht und an verbindlichen Schulveranstaltungen ist in allen Bundesländern durch die Schulgesetze in ähnlicher Weise festgelegt. Ausnahmen von der Schulpflicht sind in der Regel nur bei Vorliegen konkreter, schwerwiegender Gründe zulässig (z.B. § 43 SchulG NRW).

Schulverweigerungen durch COVID-19 zugenommen

Verletzungen der Schulpflicht haben in zwei Jahren Corona-Pandemie einen nicht unerheblichen Umfang angenommen. Immer wieder müssen Gerichte zur Durchsetzung der Schulpflicht bemüht werden. So hatte das OVG Münster über einen weiteren, ähnlich gelagerten Fall zu entscheiden, in dem die Eltern ihre minderjährige Tochter nicht von der Notwendigkeit des Schulbesuchs angesichts der umfangreichen Corona-Testpflichten überzeugen konnten.

Angst vor COVID-19-Testungen

Im konkreten Fall hatte die minderjährige Tochter sich geweigert, sowohl am Unterricht als auch an sonstigen verbindlichen Veranstaltungen ihres Gymnasiums teilzunehmen, weil sie Angst vor den obligatorischen Corona-Testungen hatte. Die Eltern vertraten die Auffassung, niemand dürfe zu einem solchen Test gezwungen werden. Bei den Testungen müsse das Prinzip der Freiwilligkeit gelten. Außerdem leide ihre Tochter unter einer Angststörung, die sie als Eltern nicht mit Zwang übergehen könnten.

Ängste durch erzieherische Maßnahmen überwindbar

Das OVG ließ sich von diesen Einwendungen nicht überzeugen. Das Gericht hatte allerdings die Stellungnahme einer psychiatrischen Fachärztin eingeholt. Diese kam zu dem Ergebnis, dass die Ängste der Tochter zwar real vorhanden, aber nicht unüberwindbar seien. Die Eltern hätten sich mit den Ursachen der Ängste bisher nicht hinreichend auseinandergesetzt. Im Rahmen einer angemessenen erzieherischen Einwirkung seien diese Ängste überwindbar, zumal die Tochter geäußert habe, grundsätzlich gerne in die Schule zu gehen.

Zwangsgeldandrohung gerechtfertigt

Das OVG schloss sich dieser Auffassung der Fachärztin an und wies die Beschwerde der Eltern gegen die Zwangsgeldandrohung zurück (OVG NRW, Beschluss v. 15.3.2022, 19 B 1776/21; ähnlich OVG NRW Beschluss v. 28.2.2022, 19 B 1973/21).

COVID-19-Gefahren rechtfertigen keine Befreiung von der Schulpflicht

In einer früheren Entscheidung hat das OVG NRW darüber hinaus klargestellt, dass die allgemeine Gesundheitsgefahr durch das COVID-19-Virus keine Befreiung von der Schulpflicht gemäß § 43 Abs. 4 SchulG NRW rechtfertigt. Anders sei es nur, wenn durch ärztliche Atteste eine konkrete individuelle gesundheitliche Gefährdung für den betreffenden Schüler oder für im Haushalt lebende Familienangehörige belegt werden (OVG NRW, Beschluss v. 29.11.2021, 19 B 1492/21, ähnlich OVG Niedersachsen, Beschluss v. 10.9.2020, 6 B 4530/20).


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