Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortführung der Zwangsvollstreckung zur Begleichung der zur Insolvenztabelle festgestellten Grundbesitzabgaben
Leitsatz (redaktionell)
1. Der verwaltungsvollstreckungsrechtliche Zwangsversteigerungsantrag ist kein Verwaltungsakt.
2. Für eine abgesonderte Befriedigung aus einem zur Insolvenzmasse gehörenden Grundstück nach dem Zwangsversteigerungsgesetz (§ 49 InsO) ist ein Duldungstitel erforderlich.
Normenkette
ZVG § 16 Abs. 2; VwVG NRW § 6 Abs. 1; InsO § 89 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Der angegriffene Beschluss wird geändert:
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die Zwangsvollstreckung durch Zwangsversteigerung des Grundstücks G1, zur Beitreibung der zur Insolvenztabelle angemeldeten und durch Feststellungsbescheid vom 30. Dezember 2010 festgestellten Grundsteuerforderung nebst Säumniszuschlägen fortzuführen.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt die Antragsgegnerin.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 396.223,50 Euro festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der im Beschwerdeverfahren weiterverfolgte Antrag,
der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu untersagen, die Zwangsvollstreckung im Wege der Zwangsversteigerung zur Begleichung der am 30.12.2010 zur Insolvenztabelle festgestellten Grundbesitzabgaben fortzuführen,
hat Erfolg. Er ist zulässigerweise auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtet, da ein gemäß § 123 Abs. 5 VwGO vorrangiger Rechtsschutz im Wege des § 80 Abs. 5 VwGO mangels vollziehbaren Verwaltungsakts nicht in Betracht kommt. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung nach §§ 15 f. des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG) nicht als einen solchen Verwaltungsakt angesehen. Dabei handelt es sich vielmehr nur um eine vollstreckungsrechtliche Verfahrenshandlung,
vgl. Böttcher, ZVG, 5. Aufl., §§ 15, 16 Rn. 3,
die als notwendige Voraussetzung für die Anordnung der Zwangsversteigerung wie bei jedem anderen Gläubiger keine auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtete Regelung ist (§ 118 Satz 1 der Abgabenordnung AO).
Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. November 1960 VII C 184.57, NJW 1961, 332 (333) BVerwG 18.11.1960 – BVerwG VII C 184/57]; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23. Dezember 2008 2 M 235/08, NVwZ-RR 2009; 410.
Allerdings unterscheidet sich der Zwangsversteigerungsantrag der Antragsgegnerin insofern von dem eines Privatgläubigers, als die Vollstreckungsbehörde in Abweichung von § 16 Abs. 2 ZVG keinen vollstreckbaren Titel vorzulegen hat. Vielmehr obliegt der Vollstreckungsbehörde in eigener Zuständigkeit die Prüfung der Voraussetzungen der Vollstreckung, die sie lediglich im Antrag für das Vollstreckungsgericht bindend zu bestätigen hat, wie sich aus § 51 Abs. 3 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen VwVG NRW ergibt.
Vgl. Böttcher, ZVG, 5. Aufl., §§ 15, 16 Rn. 91; Eickmann, Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsrecht, 2. Aufl., S. 79; Hornung, Gerichtliche Vollstreckung im Verwaltungszwangsverfahren, Rpfleger 1981, 86 (87 ff.); ausführlicher die Regelung des § 322 Abs. 3 AO.
Diese Aufteilung der behördlichen Zuständigkeiten ist Ausfluss der Umstands, dass das zivilgerichtliche Zwangsversteigerungsverfahren hier nur in das von der Selbstvollstreckung geprägte Verwaltungsvollstreckungsverfahren integriert ist.
Vgl. im einzelnen Gaul, Die Mitwirkung des Zivilgerichts an der Vollstreckung von Verwaltungsakten und verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen, JZ 1979, 496 (503 ff.).
Das ändert aber nichts an dem Umstand, dass der Zwangsversteigerungsantrag eine Verfahrenshandlung ohne Verwaltungsaktqualität gegenüber dem Vollstreckungsgericht ist. Ob wie die höchstrichterliche Finanzrechtsprechung meint,
vgl. BFH, Beschluss vom 25. Januar 1988 VII B 85/87, BFHE 152, 53 BFH 25.01.1988 – VII B 85/87]; ebenso für den Antrag auf Eintragung einer Sicherungshypothek Beschluss vom 29. Oktober 1985 VII B 69/85, BFHE 145, 17, BFH 29.10.1985 – VII B 69/85]
der Zwangsversteigerungsantrag wegen der Vollstreckbarkeitsbestätigung Verwaltungsaktqualität haben kann, kann dahinstehen. Denn Verwaltungsakt könnte er allenfalls gegenüber dem Schuldner sein und daher nur dann, wenn der Antrag ihm gegenüber diese Regelung der Vollstreckungsvoraussetzungen treffen und ihm bekannt gegeben werden soll.
Vgl. BFH, Urteil vom 17. Oktober 1989 VII R 77/88, BFHE 158, 310 BFH 17.10.1989 – VII R 77/88] (312 f.).
Dafür ist hier nichts ersichtlich. Der Zwangsversteigerungsantrag vom 29. Juni 2011 einschließlich der in ihm enthaltenen Vollstreckbarkeitsbestätigung richtet sich alleine ...