Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltendmachung einen Anspruchs aus einer als Schuldbeitritt zu wertenden Kostenzusage im Rahmen eines sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses
Normenkette
SGB VIII §§ 77, 78b, 78f; SGB X § 53; InsO § 80 Abs. 1, § 94
Verfahrensgang
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.558,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit am 25. April 2009 zu zahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 18.000 Euro abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Beklagte gewährte dem Hilfeempfänger J. S. seit dem 12. Februar 2003 fortlaufend Hilfe zur Erziehung gem. §§ 27 und 34 SGB VIII in Form von Übernahme der Kosten für die Unterbringung in Heimpflege durch den L. e.V. Die Rechtsbeziehungen zwischen diesem Verein und dem Beklagten beruhten auf einem Rahmenvertrag und entsprechenden Entgeltvereinbarungen. Auf dieser Grundlage teilte der Landrat des Beklagten dem L. e.V. unter dem 17. März 2003 mit, die monatlich anfallenden Heimkosten würden ab der Unterbringung von J. S. von dem Kreis E. getragen. Die Zahlung erfolge monatlich im Voraus.
Mit Beschlüssen vom 6. November und 30. Dezember 2008 ordnete das Amtsgericht Mönchengladbach im Hinblick auf den L. e.V. die vorläufige Insolvenzverwaltung an, beschloss Sicherungsmaßnahmen i. S. d. § 21 Abs. 2 Nr. 2 zunächst Alt. 2, später Alt. 1 und Nr. 3 sowie § 23 Abs. 3 Satz 3 der Insolvenzordnung (InsO) und bestellte den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Diesem gelang es, den Heimbetrieb weiter aufrecht zu halten, eine neue Betriebserlaubnis erteilt zu bekommen und die involvierten öffentlichen Träger der Jugendhilfe dazu zu veranlassen, ihre Zöglinge unter Übernahme der anfallenden Kosten weiter in der Einrichtung zu belassen. Über den Verbleib und die weitere Betreuung von J. S. wurde – angeblich in Kenntnis der Einleitung des Insolvenzverfahrens – in einem Hilfeplangespräch am 10. November 2008 befunden, dessen Protokoll das Jugendamt des Beklagten auch an den L. e.V. zwecks Unterzeichnung mit Zustimmung des Klägers weiterleitete. Mit Schreiben vom 9. Dezember 2008 kündigte der Landrat des Beklagten vor dem Hintergrund der unsicheren Lage an, im Jugendhilfefall J. S. keine weiteren Vorauszahlungen mehr, sondern ab dem 1. Januar 2009 nur noch nach Vorlage der Monatsrechnung zu leisten.
Mit Schreiben vom 15. Dezember 2008 teilte der Beklagte dem Kläger mit, im Hinblick auf die in der Vergangenheit erfolgte Unterbringung von drei anderen Kindern hätten die Spitzabrechnungen des Klägers ergeben, dass von seiner Seite ein Betrag von insgesamt 13.558,90 Euro zu viel gezahlt worden sei. Da der Kläger diese – mit Abrechnungen vom 18. Juli, 22. Juli und 25. August 2008 geltend gemachten – Forderung noch nicht beglichen habe, werde sie mit den offenen Forderungen des Klägers betreffend die Unterbringung von J. S. ab Januar 2009 aufgerechnet werden. Der Kläger trat der beabsichtigten Verrechnung mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2008 entgegen und verwies auf die Möglichkeit, die Forderung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenztabelle anzumelden.
Mit Beschluss des Amtsgerichts N. vom 1. Februar 2009 wurde das Insolvenzverfahren endgültig eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter ernannt. Eine Anmeldung der Forderung aus Überzahlung zur Insolvenztabelle erfolgte nicht. Vielmehr verteidigte der Beklagte mit Schreiben vom 4. Februar 2009 seine Berechtigung zur Aufrechnung. Mit weiterem Schreiben vom 23. März 2009 teilte der Landrat des Beklagten seiner aufrecht erhaltenen Rechtsauffassung entsprechend mit, dass er auf die vom Kläger für die Unterbringung von J. S. betreffend den Zeitraum 1. Januar bis 30 April 2009 mittels Rechnungen geltend gemachte Gesamtforderung von 15.290,33 Euro einen Betrag von 1.731,43 Euro zahle; die weitergehende Forderung von 13.558,90 Euro werde aufgrund der Aufrechnung in Abzug gebracht.
Der Kläger hat am 25. April 2009 Klage auf ungekürzte Zahlung erhoben und dazu im Wesentlichen vorgetragen: Der Aufrechnung stehe das Verbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO entgegen. Hierdurch solle gewährleistet werden, dass nach Verfahrenseröffnung zugunsten der Insolvenzmasse begründete Forderungen dieser auch in voller Höhe zugute kämen. Zudem solle das Aufrechnungsverbot verhindern, dass Insolvenzgläubiger Verbindlichkeiten gegenüber der Insolvenzmasse bzw. dem Insolvenzverwalter eingingen, um anschließend wegen ihrer Insolvenzforderung durch Aufrechnung Befriedigung suchen zu können. Eine nach Verfahrenseröffnung entstehende Aufrechnungslage ...