Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufrechnung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei bestehender Schuld des Insolvenzgläubigers zur Insolvenzmasse i.R.d. Kinderhilfe. Übernahme des Leistungsentgelts der Kinderhilfe und Jugendhilfe durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe
Normenkette
SGB VIII § 78b Abs. 1; BGB § 387; InsO § 21 Abs. 2, § 23 Abs. 1, § 95 Abs. 1, § 96 Nr. 1
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v. H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Beklagte gewährte J. S. seit dem 12. Februar 2003 Hilfe zur Erziehung gemäߧ§ 27 und 34 des Sozialgesetzbuches (SGB) VIII in Form von Übernahme der Kosten für die Unterbringung in Heimpflege durch den L. e.V. Die Rechtsbeziehung zwischen diesem Verein und dem Beklagten beruhte auf einem Rahmenvertrag und entsprechenden Entgeltvereinbarungen. Auf dieser Grundlage teilte der Landrat des Beklagten dem L. e. V. unter dem 17. März 2003 mit, die monatlich anfallenden Heimkosten würden ab der Unterbringung von J. S. von dem Kreis Düren getragen. Die Zahlung erfolge monatlich im Voraus.
Mit Beschluss vom 30. Dezember 2008 beschloss das Amtsgericht Mönchengladbach im Hinblick auf den L. e. V. Sicherungsmaßnahmen im Sinne des § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 und Nr. 3 sowie § 23 Abs. 1 Satz 3 der Insolvenzordnung (InsO) und bestellte den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Daraufhin kündigte der Landrat des Beklagten an, im Jugendhilfefall J. S. keine weiteren Vorauszahlungen mehr zu leisten. Mit Schreiben vom 15. Dezember 2008 teilte er dem Kläger mit, im Hinblick auf die in der Vergangenheit erfolgte Unterbringung von drei anderen Kindern hätten die Spitzabrechnungen des Klägers ergeben, dass seitens des Beklagten ein Betrag von insgesamt 13.558,90 EUR zu viel gezahlt worden sei. Da der Kläger diese Forderung noch nicht beglichen habe, werde sie mit den offenen Forderungen des Klägers betreffend die Unterbringung von J. S. ab Januar 2009 aufgerechnet. Mit weiterem Schreiben vom 23. März 2009 teilte der Landrat des Beklagten mit, dass er auf die vom Kläger für die Unterbringung von J. S. betreffend den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. April 3009 mittels Rechnungen geltend gemachte Gesamtforderung von 15.290,33 EUR einen Betrag von 1.731,43 EUR zahle; die weiter gehende Forderung von 13.558,90 EUR werde aufgrund der Aufrechnung in Abzug gebracht.
Der Kläger hat am 25. April 2009 Klage erhoben. Er trägt im Wesentlichen vor: Der Aufrechnung stehe das Verbot des § 96 Nr. 1 InsO entgegen. Hierdurch solle gewährleistet werden, dass nach Verfahrenseröffnung zugunsten der Insolvenzmasse begründete Forderungen dieser auch in voller Höhe zugute kämen. Zudem solle das Aufrechnungsverbot verhindern, dass Insolvenzgläubiger Verbindlichkeiten gegenüber der Insolvenzmasse bzw. dem Insolvenzverwalter eingingen, um anschließend wegen ihrer Insolvenzforderung durch Aufrechnung Befriedigung suchen zu können. Eine nach Verfahrenseröffnung entstehende Aufrechnungslage sei nicht schutzwürdig, da der aufrechnende Insolvenzgläubiger bis zur Eröffnung des Verfahrens nur auf seine Quote habe vertrauen dürfen und eine nachträgliche Aufwertung seiner Insolvenzforderung im Widerspruch zu dem insolvenzrechtlichen Prinzip der Gläubigergleichbehandlung stehe. Zulässig sei die Aufrechnung gemäߧ 95 Abs. 1 Satz 1 InsO nur dann, wenn die Schuld bei Insolvenzverfahrenseröffnung bedingt oder betagt entstanden sei. Dies sei hier aber nicht der Fall. Der Entgeltanspruch betreffend J. S. sei nicht bereits mit der Heimaufnahme entstanden und für künftige Zeitabschnitte aufschiebend bedingt gewesen. Der Beklagte sei verpflichtet gewesen, einen monatlich in Rechnung zu stellenden Betrag an den L. e. V. zu zahlen. Fällig werde der Rechnungsbetrag spätestens sechs Wochen nach Zustellung der Rechnung.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 13.558,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz sowie weitere 899,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er begründet seinen Antrag wie folgt: Eine Aufrechnung sei gemäߧ 95 Abs. 1 Satz 1 InsO zulässig. Der Anspruch des L. e.V. gegen den Beklagten sei bereits mit der Heimaufnahme des J. S. entstanden und für künftige Zeitabschnitte lediglich aufschiebend bedingt gewesen. Dieser Vorschrift liege der Gedanke des Vertrauensschutzes zugrunde. Der Gläubiger, der vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens darauf habe vertrauen dürfen, mit Rücksicht auf das Entstehen einer Aufre...