Entscheidungsstichwort (Thema)
öffentliches Recht. Gesetzgebungskompetenz. Konkurs. Gesamtvollstreckung. Konkursverwalter. Gesamtvollstreckungsverwalter. Ordnungsrecht. Ordnungspflicht. Zustandsverantwortlichkeit. Ersatzvornahme. Wasserrecht. bürgerliches Recht
Leitsatz (amtlich)
1. Das Konkursrecht und das Ordnungsrecht sind zwei gesonderte Rechtsbereiche mit gleichem Geltungsrang, die einander nicht verdrängen.
2. Die Kompetenz des Bundes zur Gesetzgebung auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) reicht nicht so weit, daß er befugt wäre, durch Regelungen des Konkursrechts oder des Gesamtvollstreckungsrechts das Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu verdrängen oder inhaltlich zu verändern. Eine dahingehende Interpretation der Konkursordnung und der Gesamtvollstreckungsordnung ist mit Art. 70 Abs. 1 GG nicht vereinbar.
3. Die ordnungsrechtliche Pflicht, eine Störung zu beseitigen, und die behördliche Befugnis, den Bürger durch Ordnungsverfügung zur Erfüllung dieser Pflicht anzuhalten, bestehen im Konkurs und in der Gesamtvollstreckung ohne Abstriche fort.
4. Der als Zustandsverantwortlicher in Anspruch genommene Konkursverwalter oder Gesamtvollstreckungsverwalter hat ordnungsrechtliche Pflichten wie Masseverbindlichkeiten zu erfüllen. Aufwendungen für eine während des Konkurses durchgeführte Ersatzvornahme sind wie Masseverbindlichkeiten zu werten.
Normenkette
GG Art. 31, 70, 74 Abs. 1 Nr. 1, Art. 75 Abs. 1 Nr. 4; Konkursordnung § 3 Abs. 1, §§ 6, 49, 58-59, 61, 63, 117; Gesamtvollstreckungsordnung § 8 Abs. 2; SOG M-V §§ 68, 70, 90; LWaG M-V § 20 Abs. 7, § 90 Abs. 2
Verfahrensgang
VG Schwerin (Urteil vom 06.03.1996) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 06. März 1996 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der außergerichtlichen Kosten des Beklagten abzuwenden, falls nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Beseitigungsanordnung, verbunden mit der Androhung einer Ersatzvornahme. Die Verfügung richtet sich gegen den Kläger. Er ist seit dem 01.06.1992 Gesamtvollstreckungsverwalter. An diesem Tage wurde das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen eines Bau- und Meliorationsbetriebs, einer GmbH, eröffnet.
Auf dem Gelände des erwähnten Betriebs, das sich in den Trinkwasserzonen II und III befindet und auf dem unter anderem ein Öllager und ein Altöllager stehen, wurde am 04.08.1993 ein Ölschaden festgestellt. Sämtliche Zapfhähne der Ölbehälter im Öllagerraum waren geöffnet und alle Ölkammern leer. Am Sockel des Öllagerraumes war ein ehemaliger Ölstand von ca. 5–15 cm sichtbar. Durch die Tür war Öl ins Freie und in den Untergrund gelaufen.
An den beiden folgenden Tagen ließ der Rechtsvorgänger des Beklagten durch private Unternehmen Arbeiten zur Beseitigung des bei der Havarie ausgelaufenen Öls durchführen. Das noch im Lagerraum vorhandene Öl wurde gebunden, gut 95 t Erdreich um das Gebäude wurden ausgebaggert und sonderentsorgt.
Für diese Maßnahmen wurden ausweislich des von dem Rechtsvorgänger des Beklagten in Auftrag gegebenen Sachstandsberichts vom 26.08.1993 insgesamt 18 Rammkernsondierungen im Kontaminationsbereich und den angrenzenden Räumen durchgeführt, wobei 9 Bohrungen unmittelbar im Schadensbereich am Öllagergebäude lagen, 4 Bohrungen im Umfeld dieses Gebäudes und 5 Bohrungen am separaten Altöllager. Im folgenden wurden noch zwei weitere Bodenproben, eine unmittelbar neben der Tür und eine in der Nähe des Ölabflußrohres, genommen. Es wurden Sondierungen im Bereich des Öllagers abgeteuft. Die Analyse der Bodenprobe durch ein Umweltlabor ergab unter dem Boden des Öllagers Belastungen mit Mineralkohlenwasserstoff von bis zu 32.000 mg MKW/kg TS. Dies bedeutete eine Überschreitung des A-Wertes der „Hollandliste” um das 640-fache, des C-Wertes um das 6-fache. Die Bodenprobe aus dem Bereich des Abflußrohres erbrachte geringere, wenn auch deutlich zu hohe MKW-Werte. Die Deckschicht des Grundwasserleiters sei inhomogen und biete strukturelle und substantielle Wegsamkeiten für mögliche Schadstoffe. Das oberflächennahe Grundwasser fließe in Richtung Wasserfassung Saatzucht ab. Wegen des relativ geringen Geschütztheitsgrades des Grundwasserleiters bestehe die Gefahr einer Kontamination des Grundwassers über bereits definierte Wegsamkeiten.
Mit Bescheid vom 12.08.1993 ordnete der Rechtsvorgänger des Beklagten den Abriß des Öllagers und des Altöllagers, die Entsiegelung der sich darunter befindlichen Betonfläche sowie die Beseitigung des kontaminierten Bodens durch Bodenaustausch oder ersatzweise eine ebenso geeignete Sanierung des Bodens auf Kosten des Klägers an. Die Ersatzvornahme mit geschätzten Kosten vom 250.000,00 DM drohte er an. Zur Be...