Prof. Dr. Heimo Losbichler
2.1 Planung = aktive Willensbildung
Zur Beurteilung der Potenziale und zukünftiger Einsatzmöglichkeiten maschineller Forecasts ist es wichtig, bei den Fundamenten zu beginnen und sich zu fragen, warum wir Pläne bzw. Forecasts erstellen. Controlling ist ein zielorientiertes Führungsprinzip, das im deutschsprachigen Verständnis die Zusammenarbeit von Manager und Controller bedingt. Es ist der zukunftsorientierte Managementprozess der betriebswirtschaftlichen Zielfindung, Planung und Steuerung eines Unternehmens, d. h. ein fortlaufender Prozess der Zielsetzung und Zielverfolgung.
Abb. 2: Controlling und der idealtypische Führungsprozess
Ziele ohne konkrete Planung sind jedoch nicht mehr als Wünsche. Damit kommt der Planung im Controlling eine besondere Bedeutung zu. Planung bedeutet, den Weg der Zielerreichung vorzudenken, Alternativen gegenüberzustellen und ein Commitment zur Zielerreichung und zur Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen herbeizuführen. Planung bedeutet den Versuch, die Zukunft aktiv zu gestalten. Es geht nicht darum, möglichst genau aber passiv zu prognostizieren "Wie es wohl kommen wird?", sondern um eine aktive Willensbildung: "Wie möchten wir, dass es wird und was tun wir dafür?" Diese Willensbildung ist nicht delegierbar und kann damit von KI-basierten Planungstools nur indirekt über qualitativ bessere Informationen unterstützt werden.
2.2 Abweichungsanalyse = Basis für Korrekturmaßnahmen
Im Rahmen der Zielverfolgung wird durch die Abweichungsanalyse geprüft, inwieweit die Etappenziele bzw. Sollwerte erreicht werden und – wenn nicht – wo die Ursachen dafür liegen. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen so früh wie möglich genutzt werden, um gegenzusteuern. Dabei gibt es einen großen Unterschied zwischen dem Erkennen und Anerkennen von Abweichungen. Beim Erkennen und Analysieren der Abweichungen können moderne Tools äußerst hilfreich und ein Wettbewerbsvorteil sein. Wer durch geeignete Führungsinstrumente besser und schneller informiert ist, hat im globalen Wettbewerb die besseren Chancen. Er kann auf breiterer Basis immer komplexer werdende Bedingungen mit größerer Sorgfalt analysieren, gezielter disponieren und schneller aktionsfähig sein. Dies bedingt jedoch, sich diesen Abweichungen zu stellen, sie anzuerkennen und Korrekturmaßnahmen einzuleiten. Dies liegt wieder in der Verantwortung des Managements, wobei Controller hier die Rolle des Korrektivs einnehmen.
Der Blick zurück auf die Abweichungsursachen ist die Basis für eventuell notwendige Korrekturmaßnahmen. Entscheidender ist jedoch die Frage, wie sich die Abweichung auf die Zielerreichung auswirkt und wie die Ziele trotz der bereits eingetretenen Abweichung erreicht werden können. Diese Frage soll mithilfe von Forecasts – auch als Prognose, Vorschau, Hochrechnung, Erwartungsrechnung oder Last Estimate bezeichnet – beantwortet werden.
2.3 Forecast = Prognose der Zielerreichung
Der Forecast ist die notwendige Ergänzung zum Soll-Ist-Vergleich. Deshalb ist er im Controlling-Prozessmodell 2.0 der International Group of Controlling (IGC) auch dem Hauptprozess Planung und Budgetierung zugeordnet. Ziel ist es, frühzeitig Informationen und eine Aussage über die Zielerreichung zu bekommen und einen eventuellen Handlungsbedarf aufzuzeigen. Auf der Basis der bisher erreichten Resultate, der gewonnenen Erfahrungen und neuer Erkenntnisse wird die Erwartung des Managements für die verbleibende Planperiode quantifiziert, um zu erkennen, ob es gelingen wird, die festgelegten Ziele zu erreichen. Gesucht wird das voraussichtliche Ist im Vergleich zum vereinbarten Ziel, weshalb der Forecast auch als Ist-Wird-Vergleich bezeichnet wird.
In der Praxis herrscht heute ein unterschiedliches Verständnis darüber, was ein Forecast wirklich ist. In der schlechtesten Form ist der Forecast ein reines Zahlenspiel, bei dem die Ist-Werte mit den verbleibenden Budgetwerten addiert werden, d. h. es fließt nur das bisher Erreichte, aber keine neue Information über die zukünftige Entwicklung ein. In diesem Verständnis können KI-Systeme beim Forecast keinen Mehrwert bieten. In den meisten Unternehmen wird im Rahmen des Forecasts jedoch versucht, zukünftige Entwicklungen und die Erwartung des Managements so gut wie möglich abzubilden. Dabei stellt sich die Frage, wie weit der Handlungsbedarf in den Forecast eingearbeitet wird. Repräsentiert der Forecast das Bild, das sich ergeben würde, wenn
- keine Korrekturmaßnahmen ergriffen werden;
- offensichtliche bzw. einfach umzusetzende Maßnahmen eingeleitet werden;
- ein umfangreiches bzw. maximal mögliches Maßnahmenprogramm umgesetzt wird?
In der Praxis ist es vielfach eine Mischvariante, bei der gewisse Anstrengungen/Verbesserungen ohne konkret hinterlegte Maßnahmen eingearbeitet sind und dieser Forecast bei größeren Abweichungen bewusst gesetzte Maßnahmenpakete auslöst. Aus Sicht des Predictive Forecasting stellt sich die Frage, welches Bild maschinelle Forecasts zeichnen würden bzw. können.