Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Leitsatz
Von einem privaten Schwimmlehrer erteilter Schwimmunterricht ist unter unmittelbarer Berufung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL umsatzsteuerfreier Schulunterricht.
Sachverhalt
Ein Schwimmlehrer erteilte in seiner von ihm selber betriebenen Schwimmschule Schwimmkurse. Vom Babyschwimmen bis zu Schwimmkursen für Erwachsene deckte er alle Bereiche des Schwimmunterrichts ab. In seinen Umsatzsteuer-Voranmeldungen erfasste er diese Kurse als steuerfreie Umsätze.
Nach einer Prüfung durch das zuständige Finanzamt erfasste das Finanzamt die Einnahmen aus den Schwimmkursen als steuerbare und steuerpflichtige Umsätze. Im Einspruchsverfahren begründete der Schwimmlehrer die Steuerbefreiung mit einer entsprechenden Anwendung des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG (Unterrichtsleistungen privater Lehrer). Nachdem der Einspruch abgelehnt wurde, erhob der Lehrer Klage beim FG Köln (Az. 4 K 4190/09). Da das Finanzamt den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ablehnte, wurde ein Eilantrag bei Gericht gestellt. In diesem Antrag wurde die Steuerbefreiung auf § 4 Nr. 22 UStG (Vorträge und Kurse gemeinnütziger Einrichtungen sowie sportliche Veranstaltungen dieser Einrichtungen) gestützt.
Entscheidung
Der Eilantrag des Schwimmlehrers auf Aussetzung der Vollziehung wurde vom Gericht stattgegeben. Nach Auffassung des Gerichts besteht im Streitfall aus gewichtigen Gründen Unsicherheit hinsichtlich der Beurteilung der Rechtsfrage, ob die Umsätze des Antragstellers im Streitjahr steuerpflichtig sind oder nicht.
Verworfen wurde vom Gericht die Begründung, dass es sich bei der Erteilung des Schwimmunterrichts um eine steuerfreie Leistung nach § 4 Nr. 22 UStG handelt. Dies würde schon daran scheitern, dass es sich bei dem Unternehmer nicht um eine gemeinnützige Einrichtung handelt. Zwar ist der Schwimmunterricht des Antragstellers eine "belehrende Veranstaltung" i. S. d. § 4 Nr. 22a UStG (vgl. auch Abschn. 115 Abs. 4 UStR 2008). Nach der Rechtsprechung des BFH erfasst die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 22a UStG jedoch ausschließlich die dort genannten Unternehmer.
Die Umsätze aus den Schwimmkursen können aber unter unmittelbarer Bezugnahme auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL steuerfrei sein. Der Schwimmunterricht des Antragstellers vermittelt seinen Schüler Kenntnisse und Fähigkeiten. Der Unterricht hat nicht lediglich den Charakter bloßer Freizeitgestaltung. Sportunterricht - zu dem auch der Schwimmunterricht gehört - ist ein reguläres Schulfach, sodass hier ein Schulunterricht i. S. d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL vorliegen könne. Wenn in Deutschland die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben nicht hinreichend in nationales Recht (hier § 4 Nr. 21 UStG) umgesetzt worden sind, kann sich der Unternehmer unmittelbar auf das ihn begünstigende Gemeinschaftsrecht berufen.
Da somit erhebliche Zweifel an der Steuerpflicht der Umsätze bestanden, ist Aussetzung der Vollziehung zu gewähren.
Hinweis
Das Gericht hat sich bisher nur für die Frage der Aussetzung der Vollziehung mit der Steuerfreiheit des Schwimmunterrichts befasst. Nach den dort dargelegten Gründen ist aber zu erwarten, dass auch im Hauptsacheverfahren der Schwimmunterricht als Schulunterricht angesehen wird und damit nach gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen steuerfrei beurteilt wird.
Grundsätzlich notwendig wäre eine Anpassung der Vorschriften in § 4 Nr. 21 UStG an die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der MwStSystRL.
Link zur Entscheidung
FG Köln, Beschluss vom 31.05.2010, 4 V 312/10