Leitsatz
1. Ein unentgeltlicher Erwerb i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG liegt vor, wenn im Rahmen der Übertragung eines Grundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge dem Übergeber ein (dingliches) Wohnrecht eingeräumt wird und die durch Grundschulden auf dem Grundstück abgesicherte Darlehen des Rechtsvorgängers nicht übernommen werden.
2. Nachträgliche Anschaffungskosten entstehen nicht, wenn der Erwerber eines Grundstücks zwecks Löschung eines Grundpfandrechts Schulden tilgt, die er zunächst nicht vom Übergeber übernommen hat.
3. Die bloße Verwendung des Veräußerungserlöses zur Tilgung privater Verbindlichkeiten nach der Veräußerung führt nicht zur Entstehung von Veräußerungskosten.
Normenkette
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 Satz 1 EStG, § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB
Sachverhalt
Die Mutter der Klägerin erwarb 1998 ein mit zwei Wohngebäuden (60 qm und 120 qm) bebautes Grundstück. 2004 übertrug sie das Grundstück auf die Klägerin. Die Klägerin übernahm die dinglichen Belastungen, nicht jedoch die besicherten Darlehen. Ihrer Mutter bewilligte sie ein lebenslanges Wohnrecht an dem Haupthaus. Das Nebenhaus bewohnte die Klägerin selbst. 2007 veräußerte die Klägerin das Grundstück lastenfrei, um der drohenden Zwangsversteigerung zuvorzukommen. Die noch offenen Darlehen der Mutter wurden aus dem Veräußerungserlös zurückgeführt.
Das FA behandelte den Vorgang im Hinblick auf das von der Klägerin zu eigenen Wohnzwecken genutzte Nebenhaus für zu 1/3 steuerfrei. Das FG (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.2.2018, 4 K 4295/16, Haufe-Index 11635651, EFG 2018, 834) hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe das Grundstück nicht über 1/3 hinaus zu eigenen Wohnzwecken genutzt (Tatfrage). Ihre Zahlungen führten weder zu nachträglichen Anschaffungs- noch zu Veräußerungskosten.
Entscheidung
Auch die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Der BFH hat die Entscheidung des FG in allen Punkten bestätigt.
Bitter für alle Beteiligten
Dieses Ergebnis hing im Urteilssachverhalt maßgeblich davon ab, dass die Mutter noch vor der Veräußerung des Grundstücks auch auf ihr dingliches Wohnrecht verzichtet hat. Hätte die Klägerin ihrer Mutter hingegen zur Ablösung dieses (ihre Nutzungsbefugnis beschränkenden) Rechts eine (angemessene) Ausgleichszahlung geleistet, wären insoweit unzweifelhaft nachträgliche Anschaffungskosten entstanden. Möglicherweise war dies aber gegenüber den Grundpfandrechtsgläubigern nicht durchzusetzen.
Hinweis
1. Ein unentgeltlicher Erwerb eines Grundstücks (im Rahmen vorweggenommener Erbfolge) liegt auch vor, wenn der Erwerber Grundschulden übernimmt und dem Übertragenden ein dingliches Nutzungsrecht einräumt. Beide Belastungen gelten nach ständiger Rechtsprechung nicht als Gegenleistung des Übernehmers, sondern mindern von vornherein den Wert des übertragenen Vermögens.
Anders ist dies, wenn der Übernehmer mit den Grundschulden auch die gesicherten Darlehen übernimmt. Anschaffungskosten liegen jedenfalls dann vor, wenn die Schuldübernahme privativ ist, der Übertragende also von seiner Schuld frei wird. Ob das auch gilt, wenn der Übernehmer lediglich als weiterer Schuldner hinzutritt, bedarf noch höchstrichterlicher Klärung. Dazu bot der Streitfall jedoch keine Veranlassung.
2. Zahlt der Eigentümer eines Grundstücks dem Inhaber eines dinglichen Rechts Geld, um dessen Mitwirkung zur Löschung des dinglichen Rechts zu erwirken, führt dies (nur dann) zu (nachträglichen) Anschaffungskosten des Grundstücks, wenn durch das dingliche Recht die Verfügungsmacht des Eigentümers beschränkt war. Die Zahlung muss aus der Sicht des Eigentümers dazu dienen, sich die (noch fehlende, unbeschränkte) Verfügungsmacht zu verschaffen. Das ergibt sich aus der Definition der Anschaffungskosten.
a) Zu Anschaffungskosten führen deshalb Zahlungen zur Ablösung eines Nießbrauchs oder eines Wohnungsrechts oder eines anderen die Nutzung durch den Eigentümer beschränkenden dinglichen Rechts (z.B. Dienstbarkeit).
b) Anders ist dies bei Zahlungen zur "Ablösung" von Grundschulden. Sie schränken die Nutzung des Grundstücks nicht ein. Der Eigentümer kann das (lediglich im Wert geminderte) Grundstück (theoretisch) mit bestehender dinglicher Belastung oder unter Ablösung der bestehenden Darlehen (lastenfrei) veräußern. Durch die Ablösung verschafft er sich kein weitergehendes Recht an dem Grundstück. Dadurch entstehen deshalb auch keine nachträglichen Anschaffungskosten.
3. Zahlt der dazu nicht verpflichtete Eigentümer die dinglich gesicherten Darlehen eines Dritten zurück, um das Grundstück (wie vereinbart) lastenfrei auf den Erwerber übertragen zu können, liegen auch keine Veräußerungskosten vor.
a) Die Rückführung der fremden Schulden hängt zwar insoweit mit der Veräußerung zusammen, als es der Veräußerer vertraglich übernommen hat, das Grundstück lastenfrei zu übertragen. Diese Verpflichtung ist aber nicht durch die Veräußerung veranlasst, sondern durch die (freiwillige) private Entscheidung, die fremden Schulden zu übernehmen. Darin liegt e...