Überblick
Der EuGH hatte mit Urteil vom 8.5.2003 entschieden, dass die private Nutzung eines insgesamt dem Unternehmensvermögen zugeordneten Gebäudeteils nicht aufgrund einer analogen Anwendung von § 4 Nr. 12a UStG (Vermietung und Verpachtung) steuerfrei ist. Die OFD Münster stellt dazu fest, dass dieses Urteil in der Verwaltungspraxis vor dem entsprechenden Revisionsurteil des BFH noch nicht angewendet wird.
Problematik
Der Unternehmer kann einen sowohl unternehmerisch als auch privat genutzten Gegenstand insgesamt seinem Unternehmensvermögen zuordnen, ihn insgesamt seiner nichtunternehmerischen Sphäre zuordnen oder ihn entsprechend der jeweiligen Verwendung teils dem Unternehmensvermögen und teils dem Privatvermögen zuordnen (Aufteilung), siehe auch Unternehmer/Unternehmensvermögen.
Hat der Unternehmer ein Gebäude insgesamt seinem Unternehmensvermögen zugeordnet, so stellt sich die Frage der umsatzsteuerlichen Behandlung der Privatnutzung. Diese nichtunternehmerische Nutzung wird einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleichgestellt (§ 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG), da der Unternehmer einen dem Unternehmensvermögen zugeordneten Gegenstand für unternehmensfremde Zwecke verwendet (Unentgeltliche sonstige Leistungen). Dieser nach § 3f UStG im Inland ausgeführte Umsatz ist damit steuerbar (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Die Finanzverwaltung ging bisher davon aus, dass diese nichtunternehmerische Verwendung in analoger Anwendung des § 4 Nr. 12a UStG ein steuerfreier Umsatz ist, der den Vorsteuerabzug aus der Anschaffung, der Herstellung und der Bewirtschaftung dieses Gebäudeteils insoweit ausschloss (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG).
Der EuGH hat nun in seinem Urteil vom 8.5.2003 hingegen entschieden, dass eine analoge Anwendung des § 4 Nr. 12a UStG nicht in Betracht kommt und auch keine andere Steuerbefreiungsvorschrift im Gemeinschaftsrecht für diese Privatnutzung herangezogen werden kann. Zwingende Folge ist, dass diese Privatnutzung eine steuerpflichtige unternehmensfremde Verwendung darstellt. Da damit der Unternehmer insoweit im Rahmen seines Unternehmens eine steuerpflichtige Ausgangsleistung erbringt, ist der Vorsteuerabzugsanspruch für die auf die Anschaffung, die Herstellung oder die Bewirtschaftung des selbstgenutzten Teils entfallenden Umsatzsteuerbeträge nicht mehr nach § 15 Abs. 2 UStG ausgeschlossen.
Anweisung der OFD Münster
Kurzfristig soll noch nicht nach diesem EuGH-Urteil entschieden werden. Vielmehr ist abzuwarten, bis der BFH – der dem EuGH diese Entscheidungsfragen im Jahr 2000 vorgelegt hatte – im Revisionsverfahren auf der Grundlage des EuGH-Urteils entschieden hat. Bis zur Entscheidung des BFH werde die Finanzverwaltung weiterhin nach den Vorgaben in Abschn. 24c UStR verfahren, Einspruchsverfahren ruhen weiter zwangsweise nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO.
Konsequenzen für die Praxis
Die Feststellungen des EuGH sind klar und eindeutig: Eine Steuerbefreiung für die private Nutzung des dem Unternehmen zugeordneten Gebäudeteils kommt nach dem Gemeinschaftsrecht nicht in Betracht. Damit wird der BFH in seinem Revisionsverfahren kaum zu anderen Ergebnissen als der EuGH kommen können. Somit schiebt die Anweisung der OFD Münster das Problem nur um wenige Wochen hinaus.
Vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH wird sich in der Zukunft (und teilweise auch rückwirkend) eine völlig neue Betrachtung bei der Investition in auch selbstgenutztes Wohneigentum eröffnen. Die Vorteile für den Unternehmer liegen auf der Hand: Er hat sofort den vollen Vorsteuerabzug aus den Anschaffungskosten (soweit steuerpflichtig erworben) oder den Herstellungskosten für den privat genutzten Teil des Gebäudes, muss aber nur im Rahmen der Besteuerung der Privatnutzung auf die Kosten Umsatzsteuer entrichten, die den Vorsteuerabzug zugelassen hatten.
Kommentar
Der Rechtsanwalt R baut in 2003 ein Haus, das er zur Hälfte für seine Rechtsanwaltskanzlei und zur anderen Hälfte für private Wohnzwecke verwendet. Aus den Herstellungskosten von 1 Mio. EUR (netto) steht ihm ein Vorsteuerabzug in Höhe von 160.000 EUR zu, der ihm von seinem Finanzamt sofort zu erstatten ist. Die Privatnutzung der Gebäudehälfte unterliegt als steuerbarer und steuerpflichtiger Umsatz der Besteuerung. Die Bemessungsgrundlage bestimmt sich (unter Vernachlässigung der laufenden Bewirtschaftungskosten, soweit sie zum Vorsteuerabzug zugelassen waren) nach § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG. Die aus der Herstellung resultierenden Kosten sind die auf diesen Gebäudeteil entfallenden Abschreibungsbeträge (2 % von 500.000 EUR) in Höhe von 10.000 EUR p.a. Somit entsteht aus der Privatnutzung eine jährliche Umsatzsteuerbelastung in Höhe von zurzeit 1.600 EUR, der – bezogen auf die Gebäudehälfte – ein sofortiger Vorsteuerabzug in Höhe von 80.000 EUR gegenüber stand.
Nach zehn Jahren entnimmt der Rechtsanwalt den dem Unternehmensvermögen zugeordneten Gebäudeteil in sein Privatvermögen oder veräußert ihn steuerfrei nach § 4 Nr. 9a UStG. Soweit die Entnahme oder der Verkauf na...